
Meine Erwartung ist im Advent immer besonders gross, und sie ist nicht einmal auf eine trügerische oder verkehrte Weise überspannt, denn sie – die Erwartung – ist dann im besonderen Mass religiös konzentriert. Wie verbreitet ist die Fähigkeit, sich den Messias als Person, als Kleinkind vorzustellen, gegenwärtig, in unseren Breitengraden? Gerade wenn ich in vielerlei Hinsicht bedauere anders zu sein, diesbezüglich fühle ich mich vielleicht bereits wieder in auffälliger Weise erhaben. Ich kann mir den Messias als Kleinkind, als Junge, Jüngling oder reifer Mann tatsächlich vorstellen, weil ich bereits unendlich viele Hinweise auf ihn gesammelt habe. Ich habe die herrlichsten Männer gesehen und teilweise sogar kennengelernt. Manchmal schiessen mir Tränen in die Augen, wenn ich nur an einzelne Merkmale denke.
Als ich zu meiner letzten Therapiestunde mit Dr.Prank den Pass mit dem Fahrrad hinauffuhr betete ich über den Tod. Ich teilte meinem Messias mit, dass wenn mich ein gewaltsames Ende „frühzeitig“ – jetzt – zu spät! - heimsuchen würde („bitte einfach nicht zu brutal!“), ich zu ihm über das Wasser gehen wollte im vollen Bewusstsein und ohne jeden Zweifel darüber, dass er mich liebend (ekliptisch) umarmen würde. Liebend, kann je einer richtig verstehen, was das überhaupt bedeutet? Dr. Prank gab mir dazu Hinweise: Liebend könnte etwa heissen „in der Bereitschaft meiner ganzen Person, das Gegenüber bei der Verwirklichung seiner wesentlichsten Lebensmöglichkeit zu unterstützen“. Was ist deine wesentlichste Lebensmöglichkeit, geneigte Leserin; Sheagle, du einzige, die das hier je kommentieren wollte? Dabei liebst du nicht einmal „uns Männer“, tss (von deinen "Chefs" mal abgesehen)!
Meine wesentlichste Lebensmöglichkeit weint vor Anstrengung, weil sie unbedingt gewinnen möchte, aber bereits eine grosse Ahnung darüber gewonnen hat, dass sie von einer Niederlage viel mehr mit nach Hause nimmt. Meine wesentlichste Lebensmöglichkeit hat nach argen Beeinträchtigungen immer noch einen derart absoluten Anspruch, der letztlich darin besteht, dass ihm niemand genügt, dass niemand seine Grösse und seinen unbeugsamen Stolz sehen darf. Und dennoch suche ich wie ein Verrückter. Ich versuchte sogar – ich plappere hier unzensuriert auch Geheimnisse aus, denn hier hatte noch nie etwas Konsequenzen! – mithilfe eines Psychopharmakas zu suchen, welches mir Dr.Prank auf meine Bitte hin verschrieben hat (ich hatte genug von meiner „Wahrnehmung“!). Aber es gefährdete meine verrückte Suche. So seuchte ich die chemischen Spuren wieder aus und trage nun wieder die Bio-Knospe auf meinem geschundenen Herzen.
Bevor das Herz einmal ablöscht wird das Blut schwarz, so stelle ich mir das bildhaft vor. Aber es geht ja noch nicht auf Karfreitag zu, und Karfreitag dauert nur 24 Stunden – gleichlang wie ich für die Trauer um Trevor brauchte – der Stern zieht uns voran und stoppt über Bethlehem. Ich bin in Aufbruchstimmung, liebe Leserin, mit dir in unser schönstes Jahr!