
Wie geht es dir, kleiner Mann? Du hast schon viele Tote gesehen, nicht wahr, und scheinst so munter. Ich bin die Art Mensch, die sich über so etwas Sorgen macht und sich gleich darüber wieder Sorgen macht. Ich taufe mich um, ich heisse ab nun „Nik Macht Sich Sorgen“. „Nik Macht Sich Sorgen“ so, als ob ich keine hätte. Aber da kannst du nichts dafür. Im Gegenteil: Du entlastest mich, wo du kannst, und ich werde dadurch noch schwerer. Darf ich bitte auch einmal dich entlasten? „Ja gerne“, sagst du, „wenn du das kannst. Du musst aber nicht. Ich bin der Held und du die Prinzessin.“ Schöne Prinzessin. Warum suchen sich Helden unzufriedene Hühner? Damit sie das Unmögliche versuchen dürfen? Du versuchst das Unmögliche an mir, Janosch, und ich bin auf jeden Fall unzufrieden. Nennt man das Charakter? Ich bin verzaubert, Janosch. Kannst du ent-zaubern? Denn scheinbar bin ich unglücklich, wenn du das nicht rund um die Uhr versuchst. Was gewinnst du aber, wenn du’s vermagst? Du siehst, ich beisse mir selber in den Schwanz. Aber ich finde keinen Ersatz; für dich, meine ich. Ich versuche meinen Geist zu lenken durch eine Bilderwelt von Vorstellungen, wo ich Glück und Ruhe finde; wo ich entzaubert bin und als fairer, hilfreicher Mensch lebe, und dein Gesicht schiebt sich immer vor diese Bilder. So sehr hab ich meiner Animussuche verschrieben, dass ich abhängig geworden bin vom Prozess, meine Liebe zu projizieren. Du bist mein Opfer, du bist mein vordringlichster Täter, denn deine Zeichen und Zuwendungen sind bei weitem die wirkungsvollsten im ganzen Umkreis. Bin ich matt oder sind wir patt? Du liebst mich nicht, Janosch, nicht wahr? Doch, du liebst alle, du liebevoller Mensch, aber du liebst mich nicht mehr als dir lieb ist, denn du bist vernünftig, klug, lebst gern umsichtig und gesund.
In unserer Zeit und Kultur wird die Konsequenz von Folgendem als bedauerlich hingestellt: Ich rapportiere jedes Detail, das mich kümmert, Gott, der die vollkommne Liebe ist. Das löst meine Banden gewissermassen von dir, Kleiner. Aber sogar Gott lebt gerne gesund und schickt mich immer wieder zu mir nach hause: Ich soll mir selber etwas einfallen lassen. Und weil ich keinen Fernseher habe, tanze ich. Das ist gut für die Bandscheiben. Hier finde ich die Aufmerksamkeit wieder. Musik ist wie ein wirklicher Traum. Ich bin jemand, man mag mich. Hier stört mich nicht, dass der Schachtdeckel meiner Seele fort ist, hier fliesst frisches Wasser durch den Kanal und löscht den Sod. Alles ist wunderbar erträglich, mit jedem Takt erforsche ich den Tanzboden über den Wolken, wo ich dich sehe.
Wer tanzt mit mir? Wer möchte die Zeit vergessen? Wer möchte sich erinnern an die Gegenwart? Wer hat Schwierigkeiten mit dem Unmittelbaren? Wer kann sich schlecht auf konkrete Situationen beziehen? Wen mutet die „Wahrheit“ auszusprechen unverantwortlich an? Egal, ich habe einem Tanzbären im Internet gemailt, dass ich ihn suche. Er ist 168cm, kräftig behaart und hat einen Kronprinzen zum Freund. Also optimale Bedinungen. Janosch, dein Lächeln, diese verschmitzte Zahnstellung mit den kleinen Abständen, die leuchtenden, manchmal wie meine gespenstigen Augen (wenigsten kommen die Geister auch zu dir – du zeigst ihnen schon den Ausgang!), all dem die Vehemenz der Unlebbarkeit zu nehmen, ermuntert mich, weitere Risiken auf mich zu nehmen. Ich glaube, dass ich einen Tanzbären finde. Dieser Satz gehört in mein Credo. Ich finde das realistisch. Ich werde so lange 5 Rhythmen Anlässe besuchen, bis die Satzzeichen, die ich körpersprachlich setze, Repliken erhalten. Wie halte ich dich, pelziger Tanzbär? An der Schulter oder an der Hüfte? Wie wirken Berühungen nicht plump bezogen auf die Bewegungsabfolge? Was ist technisch anders, wenn Mann zu zweit ist? Potenziert sich zu zwei die Vielfalt möglicher Tanzfiguren? Gibt es hier auch schwerwiegende Missverständnisee und wie überkommt Mann sie? Endlich stell ich wieder ein paar exsitenzielle Fragen, die nicht deinen Namen tragen, Kleiner. Denn du tanzst wohl nicht. Das würde mich zu sehr wundern. In vielem bist du arg hetero. Dir geht es mehr um Inhalte denn um Form. Du bist ein Mittelpunkt und alles, was dich stärkt, zieht dich an. Du willst Gewichte tragen nicht unbedingt mit ihnen jonglieren. Aber du singst. Du singst eine sichere Linie und ich fiel jedesmal aus der Melodie, als du in mein Klavierspiel einstimmtest. Du tratest nahe an mich heran und sagtest mit deinem Akzent, ich hätte einen Fan, weil jemand von den Zuhörenden mitklatschte. Aber ich schere mich nicht um Fans, kleiner Sänger. Ich schere mich um niemanden, und das verteilt mein Interesse so schlecht. Aber du siehst, ich bete, dass ich es nicht zu sehr allein auf dich abstelle, und es trägt Früchte. Ich finde meinen Tanzbär. UND: Bald werde ich dir sagen, dass ich mich hier so tiefgreifend mit dir beschäftige. Ich möchte nicht alt werden; ich möchte mutiger werden im Kampf um die Sterblichkeit.
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