
„Es geht mir gut“ zu sagen, ist dennoch immer ein kleines Risiko für mich Fein-Skalierten. Wenn ich das tue klopft immer das Verkehrsteufelchen, frustrierte Parasiten oder Ähnliches von innen an meine Brust und sagt: „He, ich bin im Fall immer noch unzufrieden“, und schon bin ich wieder ein bisschen enttäuscht und wütend über mein Personal. Ich halte eine Träne zurück, die schluchzt: „Ich hab doch schon so viel getan für euresgleichen.“ Arbeite ich also doch der falschen Partei in die Hand? Aber ich will da nicht ständig mehr unterscheiden. In gewissen Bezirken zumindest nicht. Den Himmel werde ich wohl zeitlebens dem makabren Gegenort vorziehen, der in Wohlstandsgesellschaften so en vogue ist – ich bin halt ein Softy und schwimme gern sportlich gegen den Strom. Und soll mal eineR in Slums predigen, wie „cool“ die Hölle ist. Der wird doch prompt ausgeboht im Sinn von: „Das wissen wir hier längst alle“. Ja, eine überzeugende Botschaft rüberzubringen, die wirklich neu ist, ist gar nicht mal so leicht.
Trotzdem geht es mir manchmal nicht schlecht. So vorsichtig drücke ich mich aus auf dem Catwalk zwischen beiden Welten. Wenn mich nur keiner runter schubst oder ich auf einmal den Einfall habe selber zu federn und abzuspringen! Ich muss mich also sehr auf meine Schritte konzentrieren, und wirke ein bisschen verkrampft und ganz leicht paranoid. Meine Lacher gelingen beispielsweise meist auch bloss ansatzweise. Was heisst „bloss“: immerhin!
Dr. Prank, hier inzwischen bekannt, hat kürzlich zu meiner Entwicklung eine einfache Skizze angefertigt: Ein schnurgerader Pfeil von der linken unteren zur rechten oberen Ecke. Das sind Sie, kommentierte er. Es geht rasant bergauf. „Rasant bergauf“, ich finde den Optimismus meines Therapeuten einfach paradox. Aber ich bin ja psychologisch selber genug belesen, um zu sehen, dass er hier mit einer „hilfreichen Fantasie“ operiert. Und Sie sind jetzt hier, sagt er und zeichnet ein Quadrat in der Mitte des Pfeiles. Wahrscheinlich ist er doch Schütze und nicht Jungfrau, denke ich, denn die Grafik sieht nun wie das astrologische Schützezeichen aus. Dieses Quadrat ist der nachhaltige Komplex, der Sie belastet, Ihre Energie- und Spassbremse, so Prank, etwas verfälscht durch meinen Wortlaut wiedergegeben. Und die Kräfte des Unbewussten sind ziemlich zäh. Er ist immerhin ein Optimist mit Realitätsbezug, denke ich ernüchtert. Ist dieses Unbewusste denn die Hölle? Worum sollte ich hier noch mehr Bühnenlicht hineintragen, wenn doch schon alles brennt unter den kanibalen Kochtöpfen? Aber dein liebendes Auge, Gott, schau sich bitte noch ein wenig um, ja? So vieles bietet sich in mir an zur Erlösung und Verwandlung. Vielleicht bin ich manchmal auch zuversichtlich, weil ich mir vorstelle, dass sich dein liebendes Auge wirklich umschaut in meinem Unbewussten. Nein, ich weiss, das Unbewusste ist nicht die Hölle, es ist bloss vor-zivilisatorisch. Nicht unbewusst ist mir, dass ich manchmal gern rauhbeiniger leben würde wie ein bart-brüstiger Pirat, den alle fürchten und ehren. Aber bitte nicht wie Johnny Depp – heisst der privat auch so? Kann Mann damit Erfolg haben? Ja, ganz offensichtlich! In einem andern Film war er angeblich sogar Modeaffe! Soll mir ein Kinogänger einmal erklären, weswegen eineR dafür kostbare Zeit und Geld investiert.
Ich merke, ich möchte mein Geheimnis nicht ausplaudern. Ich hab einen Trumpf in der Hand, aber ich heb ihn auf. Vielleicht hilft mir der letzte Stich auch zu keinem realen Gewinn. Meine Hoffnungen sind manchmal etwas gebläht. Ich meine dann, Helium befindet in meinen Lungenflügeln und hebt mich in Pfeilrichtung aufwärts. Aber dann war’s nur ein Furz und ich liege wieder horizontal. Mir geht es gut. Soviel wage ich zu sagen. Dabei bin ich nicht einmal wahnsinnig verliebt. Ich hab nur herausgefunden, dass wenn ich mich umschaue ohne mich zu fragen wer ich bin und was mir an Beneidenswertem fehlt, vieles einen recht geordneten Eindruck macht und vielerorts Anzeichen da sind, dass man sich bemüht, das Leben füreinander als interessante Mischwelt von himm- und höllischen Einflüssen zu gestalten – mit Aufwärtstendenzen. Und dass man sich häufig von negativen Eindrücken täuschen lässt ("Projektionen", wieder so ein Projekt der Untergrundorganisation), ist mir ebenfalls nicht verborgen geblieben. Es ist da also ein gewisses Licht, das mich die Dinge sehen lässt. Hübsch ist es, dieses kleine Licht. Und immer, bevor ich schlafen gehe, zünde ich für einen kurzen Moment eine Rechaudkerze an. Dann lösche ich und spähe für einen weiteren Moment lustig im Dunklen rum und weiss: du bist da. Das ist doch die richtige Übung oder? 0 Kommentare, jaja.
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