Montag, 12. November 2007

Ein typisches Grimm Märchen

Ich staune über mich, und wenn ich der einzige wäre, der das tut. Ich bin erstaunt darüber, wie wenig ich vorwegnahm von meinem Empfinden dir gegenüber. Meinen letzten Blogeintrag hab ich noch vor unserer Begegnung geschrieben, nicht wahr, du kannst das bestätigen, wir sind uns erst am 3.November begegnet. Dem Tag meiner dritten und vielleicht letzten Konversion. Du hast mich überwältigt.
Ich staune über mich, Trevor, und wenn ich der einzige bin, der das tut. Was ist in mir vorhanden, dass sich meine Seele derart aus sich heraus katapultieren kann in deine wilde Natur? Mir war, als fügte ich zum ersten Mal meine Hand in eine andere und mein kleiner Blutkreislauf war plötzlich global angeschlossen. Alle Lichter gingen über mir auf, als wäre es auf der ganzen Welt Advent. Aber du gibst dich unbeeindruckt.
Trevor, Trevor, Trevor, Trevor. Dein Name ist zu meinem kürzesten Gebet geworden, meinem kürzesten, immerwährenden Gebet; einem Gebets-Loop mit unendlichen Wiederholungen – ähnlich wie das Bum-bum-bum von Technomusik, die dich manchmal aufreizt. Egal ob ich Nachtschichten arbeite, am Tag schlafe, immer ist mein Kissen nass von Tränen oder Speichel und mich rührt, was ich sehe: ich erkenne deine Bärenschnauze sogar in Katzen, die ich bisher nicht niedlich fand.
Du bist unbeeindruckt, dass ich verliebt bin, und es ist dir egal, dass ich bei dir einziehen würde, weg von allen und allem, wenn du das wolltest. Schon paarmal meinte ich in Bezug auf dich mit Gewissheit, dass alles parat ist und „nur“ noch die Grobplanung fehlt um unser gemeinsames Glück unter Dach zu bringen. Aber du bist am Drücker, und du sagst, wenn und ob es überhaupt je losgeht. Dabei bin ich schon mittendrin, und wenn ich der einzige bin.
Schade, dass du so gewaltig bist. Dr. Prank hat recht. Auch Dr. Prank – mein Therapeut - ist gewaltig. Er reicht mir jeweils zweimal die Pranke und seit geraumer Zeit sagt er immer etwas Freundliches, Privates zu mir, wenn ich komme oder gehe. Es wird nur noch etwa zwei Sitzungen geben, dann nimmt er eine Auszeit. Ich hab mir den Namen des Medikamentes notiert, welches er mir empfiehlt, wenn ich wieder einmal zu lange ohne Aussicht auf einen gewaltigen Menschen bin, den ich „erfolgreich“ lieben könnte. Seit ich meinen Vater kenne, beisse ich mir die Zähne an „gewaltigen“ Männern aus. Habe ich mit Dr.Prank keine Fortschritte gemacht, bist du keine Frucht meiner inneren Entwicklung, Trevor, Lieber?
Du kannst das four-letter-word sagen, das mich unglücklich, religiös und todessehnsüchtig bleiben lässt: „Nein“. Oder noch schlimmer: „Jein“. Und letzteres sprichst du momentan genauso beständig und nuancenreich, wie ich um dein Wohlergehen bete. Nicht um deine Bekehrung, wohlgemerkt. Du willst, wie sie alle, Agnostiker bleiben. Agnostiker auch, was Liebesbeziehungen anbelangt. Du möchtest nur überall ein bisschen lecken. Ist das fies gesagt?
Und wenn ich schon am klönen bin. Du liest mich nicht einmal mehr! Meine Sprache ist dir längst zu anstrengend, zu abstrakt und zu unwirklich geworden. Wäre ich doch einfach ein gwöhnlicher Topf Honig, den man ausessen kann. Ich mach wieder an Schreibwettbewerben mit. Ich fühle mich so unter Leistungsdruck, dass ich dir nur noch in Notfällen schreiben will. Ich möchte Erfolg haben wie du – Macht! Ich möchte auch am Drücker sein, in die Luft knallen und „Ja!“ schreien. Ich habe das Gefühl, dass seit wir wie ein Paar im Bus und im Zug gesessen sind, ich mit jeder Minute, wo das Gefühl für die sinnliche Erinnerung schwindet, mein Glück verrate. Es ist wieder das Gefühl, dass meine Seele ein schwarzer Panther ist, wie ihn Hermann Hesse im Käfig beschreibt. Aber die Stäbe werden undicht. Ich spüre, mein Tier wird etwas töten, das nicht mehr länger leben darf.
Trevor. Ich bin so zahm mit dir am Telefon. Du verlangst unausgesprochen, dass ich alles lerne, was ich „nicht kann“ und lehnst dich dabei gemütlich zurück und kaust Rosenknospen. Du sagst mir Dinge, die noch keiner von dir weiss und du brauchst keine Zweifel hegen, dass sie bei mir sicher sind. Du spürst, ich bin harmlos und weiss nicht, wie man jemanden austrickst. Du bist mir artfremd. Warte, Bär, bis meine Stäbe weg sind. Dann gibt es einen fairen Kampf zwischen dem Panther und dir. Dann zeige ich dir mit meinen weissen Zähnen, dass ich nicht geheuchelt hab und ich dich wirklich lieb hab. Und wenn ich der einzige bin.
Ich wünsch dir Glück. Wieder stehst du beruflich vor einer Perspektive, die dich zum meistgesuchten Versicherungskriminellen macht. Was immer du mir für Geschichten erzählst, ich finde alles leichtgläubig in Ordnung, nicht weil ich blind bin, sondern weil ich dich gespürt hab. Du brauchst nur einfach viel Verständnis, und wenn ich der Geduldigste wär, der es für dich aufbringt.
Entschuldige, dass ich dir zu langweilig bin. Mein Käfig macht mich halt „innere Schätze“ ausbrüten, wenn überhaupt. Wie könnte ich dich erkennen, falls in mir nicht noch bessere Abenteuer tobten, als du je erlebt hast: Ich flieg nämlich in einer Woche zu dir!

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