Mittwoch, 25. Juli 2007

Lieber Janosch
Ich turtle hier eitel vor mich hin in diesem halbprivaten, öffentlichen Rahmen, dabei könntest du dir ohne weiteres vorstellen, falls du dieses lesen würdest, denn du weißt ja nichts von meinem Blog, wie sehr es mich drängt, dir wirklich einige Dinge mitzuteilen. Aber ich weiss, das wäre wieder einmal nicht klug. Wieviel Gelegenheiten der Alltag einem doch bietet, sich dumm hinzustellen. Dennoch droht mein Gefühlsstau zu überborden und selbst wenn ich belächelt werde von den paar wenigen, die dies hier lesen, so bin ich doch dankbar für diesen outlet, denn hier kann ich einiges regulieren, indem ich es geschehen mache im Sinn eines sprachlichen „Ereignisses“, was sonst einsam und isoliert in mir wüten würde. Denn es sind mächtige Pferde, die deinetwegen in mir aufstehen. Mancher Rennstallbesitzer würde neidisch, wenn er sie sehen könnte.
Was wollen dir meine Pferde sagen, Janosch? Wollen sie überhaupt reden und argumentieren oder einfach nur über Büsche und Hecken hinwegsetzen bis ein paar farbige Jockeys am Boden liegen und die Menge applaudiert? Und wenn jeder Galoppsprung eine Aussage beinhalten würde, wie kriegte man das Hufgetrampel in eine sinnvolle Reihe?
Du wirkst wie ein sehr vernünftiger Mensch. Du bist beherrscht, hältst dich zurück, aber du gibst deinem Temperament und deiner Kraft auch gebührend Ausdruck mit deinen Pausen, die oft einen sanften und doch deutlichen Widerstand bieten. Und zwar meines Erachtens stets berechtigterweise. Und bist nicht zuletzt dank automatischer Anwendung von Antistressregeln erfolgreich. Zu erfolgreich für mich, der ich auf dem Ersatzbank auf die nächst bessere Inkarnation warte. Du entwickelst dich mit Lichtgeschwindigkeit; ich schaue auf die Europakarte und sehe in allen Städten ein Licht angehen, wo du jemandem eine Freude machst. Du bist lebendiger Alternativstrom, Janosch. Und was bin ich? Lass mich dein Kurier sein. Lass mich Nachrichten verfassen, wer du bist und was du machst, wie es hier ja schon geschieht. Lass mich laufend berichten, was deiner Menschlichkeit jeden Tag aufs Neue in den Sinn kommt. Gewähr mir diese Rollenaufgabe, mit der ich dich vervollständigen kann, denn so positive Botschaften werden selten in einer menschlichen Person verbreitet, wie du es dir einfallen lässt. Ich finde es zum Beispiel rührend, dass du keinen Kaffee trinkst. Dabei ist es ja nicht so, dass du ihn nicht verträgst oder etwa doch? Ich weiss noch zu wenig über dich. Jedenfalls wirkst du in unserer überspannten und koffein-überdosierten Gesellschaft erstaunlich schadstofffrei und munter. Du rauchst zwar – leider für deine Lunge – aber ich meinte das im übertragenen Sinn.
Ich habe Herzflattern und du wirkst so seelenruhig. Nein, du bist zwar selber agitiert, aber du scheinst so kongruent mit deiner Person. Das ist’s, was mich aus der Fassung bringt. Ich laufe zumindest dreifach über mir selber und jeder der dreien ist gegenläufiger Ansicht, so dass keine Handlung oder Aussage meinerseits zufriedenstellend ist. Und alles, was du sagst und tust, ist wie aus einem Guss. Du machst das ohne jede Anstrengung und vollkommen natürlich und ich bastle an einer Harmonie, die von Anfang an gebrochen war. Durch mich spaltet sich das Licht. An mir lässt sich nicht Werden aber Vergehen beobachten und du siehst, wie die Sonne sinkt in mir und wie ich rührend aber vergeblich dagegen anfechte. Ich bin wie das Meer am Horizont, das dich den glühenden Sonnenball hochstemmen möchte. Aber du lässt dich nicht aufhalten und ziehst die Reise des Helden weiter über alle Kontinente. Nie kann ich dich fassen; mein Versuch ist unnötig, denn du hast deinen festen Platz im Zentrum. Ich spüre den Klimawechsel und ich bitte dich, Sonne, mich das Meer auszutrinken und meinen Durst zu löschen.
Du rührst mich, weil du keinen Kaffee trinkst und weil du so gut bist. Willensstärke, Fleiss, Ehrgeiz, Führungsqualität, Kondition, Sozialkompetenz; die ganze Litanei privilegierter Eigenschaften trifft auf dich zu. Aber mich rühren diese Eigenschaften nur in der seltenen Kombination mit deiner Nahbarkeit. Vom Zeitpunkt unserer ersten Sichtaufnahme warst du eine offene Blume und das ist das eigentliche, das mich erschreckt. Wie kann eine offene Blume derart stark sein! Du siehst meine verletzte Blüte und wie dadurch jeder Tag zum Wunder des Überlebens wird. Und du bist die offene Blume, die alle berührt in jeder Jahreszeit auf freiem Feld. Gibt es dich wirklich? Du erscheinst, wo ich über dich nachdenke, eher wie etwas Ausgedachtes aus mir selber. So gross ist mein Wunsch, uns näher zu bringen bei allem Qualitätsunterschied. Ich weiss, du bist ausser Konkurrenz, aber ich renne weiter. Mein Leben war von Anfang an eine Zielgerade und drüben hole ich alles nach. Drüben gibt mir Gott ein langes Interview und erzählt mir, wie es gekommen war und wäre, wenn ich weniger dahinneigend gelebt hätte. Und dann werde ich alles wieder vergessen und warte bis du Blume hier einkehrst. Ich werde die Paläste schmücken mit deinen Farben und Zeichen, so dass du dich gleich froh wiedererkennen wirst und gerne in der Ewigkeit lebst. Hier werde ich auch auf nichts mehr von dir neidisch sein, weil hier jeder Trug, jede Entfremdung und Angst ihre Maske abgibt.
Offene Blume, wer hat dich erdacht? Ist dir bewusst, dass du gegen die Regeln läufst und eigentlich so wenig existenzfähig wärst wie ich? Du duftest wie ein Krieger, bist aber eine Blume?! Kein Wunder bist du so umschwärmt. Wer mag nicht etwas Zartes in Kombination mit einer derartigen Geschlossenheit? Eine geschlossene Offenheit? Ein offenes Schloss? Eine moderne Vergangenheit? Du überbrückst tiefe Gräben, Janosch, mit deiner blossen Gegenwart. Du bindest dramatische Personen wie mich hoffnungsvoll an dich. Wer das Urmännliche sucht in seiner unverwässerten Form aber unter konsequentem Gewaltverzicht und zwar aus einem erlittenen Entschluss der Schonung heraus, der bleibt unweigerlich an dir hängen. Schmücke dich mit uns nach deinem Belieben, tapferer Mann. Du hast harte Zeiten durchgestanden unter Bedingungen rücksichtsloser Unmenschlichkeit und Profitdenken. Du wurdest aus einer 1:1 Million Wahrscheinlichkeit ausgewählt für den Schutz deiner Zartheit. Viele Engel haben sich um dich gruppiert auf den Schauplätzen deines Lebens, weil sie in dir einen Gefährten hatten. Aber es tut mir leid, wovon du schon Zeuge werden musstest. Ganz tief blau wurden deine Augen an den Grenzen menschlichen Mitgefühls. Egal wer dir deine Zweifel nimmt, du entfernst mir meine zeitweise restlos, bis sie durch meine Konstitution zurückkehren.
So viel bist du unterwegs. Ich denke an dich. Du befindest dich in einer Glückssträhne und ich passe nicht recht dazu. Von Anfang an war ich freundlich. Aber inzwischen fällt dein anfängliches Zutrauen in mich wie ein Anker. Er fällt noch immer ohne Grund. Hat er sich aufgelöst? Wieviele schwere Anker hast du, Blume? Er löst sich auf, er wird zum Seestern. Als solcher wandelt er in mir. Du hast ihn vergessen, aber ich spüre nur noch ihn: Alle Haie, Walfische und Tümmler sind neben ihm verblasst. Wohin führst du mich in deiner Vergessenheit?
Wünsche mir kraft deines Glücks Gelingen, Seestern. Solange ich scheitere werde ich alles an dich binden, denn jede Rettung geht nur entweder durch die Liebe oder den Verlust. Aber wenn ich dich auch verliere, wohin soll ich dann mit mir? Bitte geh nicht ein in das grosse Arsenal, den Eisenschrank, wo die teuersten Objekte vergammeln, weil sie mir Adieux sagten und ich sie wegsperrte. Bitte lass mich in deinem Leben als leise Stimme zu Wort kommen. Lass meine Eigentümlichkeit Verständnis finden über dich, weil du entgegen jeder Wahrscheinlichkeit dem Leben jenes abgewinnst, das sich meinem Gestaltungsdrang immer wieder entzieht: das Erbarmen des Allmächtigen. Dein Nik

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