Sonntag, 17. Juni 2007

Lieber Janosch
Mit was für inneren Botschaften schreitest du durch den Raum? Welches Bewusstsein über die eigene Identität hast du als öffentliche Person? Meines ist wie Schnittblumen; es welkt jeweils rasch und braucht regelmässigen Ersatz. Und du bist wie das Wasser, das meinen Duft länger am Leben hält, bevor ich modere. Wozu kann ich dir gut sein?
Du belohnst mein Wohlwollen, mein Freund. Ja, du überstrahlst es. Mein Wohlwollen stützt sich darauf ab, was an dir ist: du bist fleissig und kerngesund, du bist lernbereit und hochmotiviert, und du hast, und das steigert mein Wohlwollen insbesondere, ein intaktes menschliches Herz, das immer frisch durchblutet ist. Dieses frische Blut spricht aus dir eine besondere Sprache über deinen Blick, dein Gesicht und deine Hände; deine spürbare Zuwendung macht mich eifersüchtig, noch während sie mir zuvorkommt. Woher hast du sie? Sag nicht vom Mutterschoss oder von deiner Grossmutter oder gar über Generationen von Vorfahren hinweg, die dein Herz in sorgsamer Auswahl entwickelt haben. Ich weiss, dass das so ist, aber wer bin ich dann? Woher stammt meine Abwehr gegen das Natürliche, das andern geläufig ist? Wie vermag ich meine Löcher auszuhalten ohne mich reuig in sie hinabzuwerfen und zu erklären, wie unnütz jeder Versuch ist, meine bröckelnde Existenz abzusichern und für autonom zu erklären? Es ist herrlich, zuzusehen, wie schnell deine Beliebtheit wächst. Bald hast du alle erobert. Es kommt mir vor wie bei einem Materialtest: deine Substanz ist einfach die bessere, du bist bis ins Innerste durchwirkt; da sind keine faulen Stellen. Und ich bin froh, dass ich das nicht erst allmählich zu realisieren brauche, sondern das seit unserer ersten Begegnung wusste, wo wir uns in die Augen schauten und miteinander sprachen. Vielleicht ist das einer meiner Vorzüge als Gottsucher: weil wir ihn suchen, erkennen wir seinen Stoff sofort. Du bist ein Mensch, der andere gesund machen kann. Auch Menschen mit ganz komplizierten Verletzungen. Und zwar unter jedem Verzicht von high tech. Was gibt es Beglückenderes, Janosch? Und ohne ihn zu kennen hab ich auch deinen Schmerz gesehen. Ich sah Trauer und Verunsicherung in dir bei deinem ersten, flüchtigen Besuch und spürte deine Last von Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Gerade hierunter sind all deine Blumen gewachsen?
Janosch, ich kann über meine Intuition nicht sprechen. Nur alles Zweifelhafte und Unterbrochene äussert sich gegen meinen Wunsch; mit all meinen unnötigen Versuchen die eigene Haut zu retten, stelle ich mich unweigerlich verzerrt da. Immerhin weiss ich, was für Mechanismen ich unterworfen bin, ich koste meine hilflosen Momente und übe, wenn es geht, bescheiden Nachsicht. Wie du. Auch du bist sehr nachsichtig, Janosch, und sehr bescheiden. Und du bist glaubwürdiger als ich. Du etablierst dich unaufhaltsam, wie ein Delta, welches an der Flussmündung in den See hineinwächst, während ich meine unstete Performance durchziehe, welcher gegenüber man geteilter Meinung sein muss. Du kämpfst auf natürliche Art, weder aggressiv noch verbissen noch um etwas anderes zu kompensieren. Es ist unendlich beschaulich dir zuzusehen. Du bist so lehrreich wie ein biblisches Gleichnis. Ich gehe in dich und spüre: Du stellst mich erneut vor die Wahl zwischen unlauterem Wettbewerb und aufrichtigem Leben und ich entscheide mich dazu, dir den Vortritt zu geben! Nik

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