Freitag, 19. Januar 2007

Stefan II

Lieber Stefan
Ich nenne auch dich so, weil du vermutlich so heisst. Jedenfalls belegen das zwei verschiedene Quellen im Internet. Bist du derselbe Stefan, dem ich schon am 26. Dezember geschrieben habe? Du wohnst an einem andern Ort, siehst anders aus, schreibst anders. Habt ihr nur zufällig den Namen gemeinsam und meine Aufmerksamkeit, was Gefühle der Hingezogenheit anbelangt?
Auch dir will ich heute nicht direkt schreiben, sondern über diesen Kanal wie schon am dritten Weihnachtstag dem anderen Stefan. Was ist denn mit dem anderen Stefan, dass er hier nur noch als Vergleichspunkt fungiert und nicht mehr als zentrale Figur? Er ist damit beschäftigt, sich über einen Dritten (für ihn zur Zeit freilich der erste und einzige) Klarheit zu verschaffen und wünscht sich diesen Unterbruch. Bin ich untreu, wenn ich inzwischen meine Kontaktsuche fortsetze? Nein, ich entlaste ihn dadurch, denn ich habe zwar, Zitat: „einen Platz in seinem Herzen“, aber wenn ich ihn richtig verstehe eher als Busenfreund denn als ernstzunehmenden Heiratskandidat. Auch bei dir Stefan II liege ich (noch) nicht wirklich im Rennen, so nehme ich es jedenfalls wahr. Eher bin ich nach Kräften dabei, dich zu betören, und mittlerweilen gibst du leise Echos. Mann, seid ihr herrliche Kreaturen anstrengend. Für ein bisschen virtuelle Aufmerksamkeit wetze ich mir die Sohlen schartig. Ich muss mir hier gegenüber einer anonymen Leserschaft als Beichtabnehmer ein bisschen Luft verschaffen, Dampf ablassen aufgrund des geistigen Überdrucks.
Natürlich habe ich dir auch direkt geschrieben: Einen vernünftigen Brief in moderater Länge mit einer astrologischen Kurzanalyse deiner Person und unserer Beziehung, ganz nach der gewissenhaften Manier des Buchautors Nik Morgen. Und du antwortest so wortkarg! Aber ich weiss, ich darf das nicht werten. Ich such ja nicht in erster Linie einen Co-Autor für zukünftige Romane, sondern den besseren Teil von mir, der mich liebevoll ausgleicht (und umgekehrt), und meine Mängel und Exzesse in Relation setzt. Wenn du dich ebenso überschwänglich ausdrücken würdest wie ich, wäre das auch keine Kompensation. Vielleicht sind deine simplen Zeilen ein verlässlicheres Indiz für eine reale Freundschaft, als wenn auch du dir anmassen würdest, wie ich zu hellseherischen Projektionen und Versprechen fähig zu sein.
Einige der ersten Schmetterlinge in meinem Bauch wurden im zarten Alter von zirka 13 durch einen Wirtesohn in der Sekundarschule freigesetzt. Nun, 25 Jahre später gelange ich wieder an jemanden, dich, der im Wirtshaus tätig ist. Der frühere Schulkamerad wurde Fahrzeugmechaniker und heiratete. Auch er hatte eine unkomplizierte Realitätsverbundenheit, während ich doch eher hyper differenziert und –sensibel bin. Nein, neben einer schrillen Drag-Queen würde ich innerlich nur noch herumzappen; ich brauche solides, wenngleich fühlbares Holz für eine fröhliche, gangbare Liebe. Falls die Voraussetzung stimmt, dass du und ich, dass wir beide fröhlicher und zufriedener sind, mit dem richtigen Ausgleich an unserer Seite.
Und dennoch: Was getraue ich dir hier lediglich unter Anrufung von Zeugen eines halböffentlichen Publikums zu sagen? Dass mir eine ausführlichere Korrespondenz deinerseits doch sehr helfen würde, diese long distance relationship zu entwickeln und um die richtige Einstellung zu finden, dich im hohen Norden Deutschlands zu besuchen. Ich könnte dir vorweg soviel über mich erzählen und über dich erfahren, wenn du in diesem Bereich aufgeschlossener wärst und mehr Affinitäten darin hättest. Einmal mehr ist noch alles Spekulation. Ich komme nicht umhin, mir Vorstellungen über uns zu machen, weil deine Beteiligung, das Gemeinsame bereits zu spüren und zu erahnen, scheinbar kategorisch ausbleibt: „Ein Blick in die Augen sagt mehr als 1000 Worte“, schreibst du. Du hast zweifellos recht, aber auch ein einzelnes, intelligentes Wort vermag einen anzublicken. Und du schweigst dich über viele meiner Fragen aus und fragst selber nicht nur das Geringste zurück. Ich fühle mich im Stich gelassen über mindestens 500km Distanz. Allein muss ich sie bewältigen, überbrücken zu dir hin. Magst du diesem Aufwand standhalten?
Wir sprechen über eine Reise, meine Reise zu dir in den Norden, bzw. ich spreche darüber. Und du agierst als der unbewegte Beweger. Auf einem Video-Clip drehst du dich um 360° vor der Kamera, und ich habe es schon fast 365mal angesehen. Du kannst dich also bewegen, wenn auch langsam und statisch. Aber du verlangst nicht von der Kamera, dass sie sich um dich dreht, wie die Erde um die Sonne oder der Mond um die Erde. Und was ich da seh, ist natürlich... ekliptisch! Ja, aufgrund meiner Wahrnehmung und den damit verbundenen Gedanken und Gefühlen bist du natürlich diese Reise wert, denn solche Bilder sah ich vergleichsweise nur aus Amerika oder in den Strassen unserer Stadt, aber dort bewegen sich keine Inserate. Du hingegen stellst dich als ein Inserat: und zwar explizit als regenbogenfarbenes Freundschafts- und Beziehungsinserat. Mein Impuls kann nicht anders sein, als drauf begeistert zu antworten.
Als wie verlässlich werden sich meine Reflexionen zu deiner Erscheinung erweisen? Auch dieses Experiment wär die Reise wert: ich will fahren! Und dann teste ich hier ja gleichzeitg auch astrologische Erkenntnisse aus. Vor allem in der -->Synastrie zeigen sich Maken: wir haben wenige Kontakte zwischen persönlichen Planeten. Insgesamt sind die Entsprechungen, an meinen Vorstellungen gemessen, aber gut.
Ja, ich messe dich nicht absolut, ich messe dich an meinem individuellen Partnerwunsch. Und du wirkst auf mich wie ein königlicher Diener. Du scheinst mir beide Eigenschaften zu haben: das pronociert Männliche, das sich gegenüber der Welt gern als Herr der Schöpfung spiegelt. Aber andererseits zeigst du auch den reifen Schmerz im Umgang mit der Erfahrung, dass die Welt dich nicht immer wie ein König empfängt. In dieser Erfahrung scheinst du mir nahbar, und es ist schon richtig, dass du spürst, dass du mein König bist oder wärst. Bedingt dadurch nämlich, dass du auch dankbar zu dienen verstehst. Vielleicht werde ich wirklich bald deine Freundin?
Ist das alles, was ich dir im Moment indirekt sagen möchte? Nein, ich brauch noch ein paar Briefeinträge dazu. Ich werde wieder schreiben, einseitig, mit einer gewissen Routine schon, die ich mir mit anderen beigebracht habe. Aber gegenwärtig bleibst du als Kandidat einzigartig.
Ich würde meinen besten Freund aus der Nähe verlieren, falls ich wegzöge. Aufgeben würde ich ihn nie! Als bester Freund bleibt er konkurrenzlos. Aber du wärst der Gemahl. Wir wären, abgsehen von unseren gastronomischen und kulturellen Produktionen, ein sehr privates Paar; treu in der Rücksicht auf Gefühle, einander immer zu gehören, aber intellektuell neugierig und aufgeschlossen. Bitte entdecke, was ich dir geben kann. Wenn du willst bring ich neue Horizonte in den Norden. Vielleicht scheinen bald Lichter über unserer gemeinsamen Dachluke. Vielleicht schaust du bald weniger ins, statt durchs Glas an der Decke oder mit mir durchs Rohr. Nik

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