Donnerstag, 25. Oktober 2007

The Seal of Love (A Song Yet To Be Written)

Trevor Husbear
Was ist anders mit dir als mit den anderen Bären im Internetz? Dass du noch profundere Seelenschichten aufrührst, dass du noch tieferliegende Dielen aufbrichst und sich darunter ungeahnte Räume auftun?
Anders ist jedenfalls dein Umgang mit den künstlichen Schranken virtueller Begegnung. Wir telefonieren und du buchst einen Flug zu mir. Wahrscheinlich helfen solche Gesten, mich derart aufzuwühlen.
Du bezwingst die Wirklichkeit, Husbear. Ich würde nicht sagen, du seist ein Eroberer, dafür bist du ein zu spiritueller Reisender. Aber du scheinst alles an dir zu haben, was ein Mann sich wünschen kann, nur dass du unverheiratet bist. Und auf diesem thematischen Hintergrund sind wir ins Gespräch gekommen.
Du liest mich. Auch das ist anders. Du gehörst zu den von dir eingeschätzten 3%, die diesen Blog lesen und verstehen können, und du findest dich teilweise in den verschlüsselten Fragestellungen wieder. Du analysierst meine Struktur und willst meinen Code; du bist ein Rosenkreuzer. Aber du weißt noch nicht, wen du vorfinden wirst.
Du löst meinen Wunsch nach Hingabe aus, Einäugiger. Und wenn du sie entdeckst, dann hast du einen Schatz gefunden. Schöpfst du daraus die Kraft für deine Spekulationen? Ist es das, was dir fehlt; liegt darin der Trieb und der Grund für deine Umtriebe; die Sehnsucht nach einem pure and utter amazement gegenüber deiner seelischen Natur? Nach einem ungeheuchelten, ungeteilten Magnetismus? Just ihn weckst du in mir, Husbear. Darin liegt dein Vorteil meiner Versehrung: meine entstellte Empfänglichkeit liegt vollkommen unbedeckt. Und du hast den Ausweis, CIA. Du wirst überall vorgelassen mit deinen Kompetenzen. Dir vertraue ich. Und gerade deshalb werde ich dein Gewissen prüfen. Ich bin bis anhin ziemlich vor missbräuchlichem Zugriff verschont geblieben, dank Vorsicht und meinen Schutzengeln. Du fandest dich bereits an beiden Enden vom Verwirrspiel trügerischer Übervorteilung wie alle, die wissen wollen, aus welchem Stoff sich der innerste Kern der Materie zusammensetzt. Und ich spüre, du bist selbst aus diesem Stoff gewoben und du bist stärker als alles, was dich umhauen wollte. Dennoch muss ich dich auf etwas noch Wichtigeres hin prüfen, denn wenn du mich nicht unbefristet lieben kannst, dann bin ich wertlos und dann bist du zu starker Tubak für mich, Trevor.
Du hast die Natur menschlicher Machbarkeit zweifellos verstanden und ich stehe diesbezüglich ganz weit und naiv dahinter zurück. Inwieweit hast du aber – davon losgekoppelt – die Natur selbstloser Liebe begriffen? Selbst Religion interessiert dich nur „systematisch“; du wolltest nicht auf Gott zurückfallen als eine Wolke, die dich trägt, da dir das naturwissenschaftlich zu utopisch ist. Diese Wolke ist aber der Urstoff jeder Liebesbeziehung, die auf unbewusste Manipulation verzichtet. Du müsstest dich bekehren, ehe wir zusammenziehen.
Ich habe auf dich gewartet, mein Freund. Ich weiss nun, dass es einen Bären gibt, der mich zu fesseln vermag ohne dass ich einen Schritt hinter mein Liebesideal zurücktrete. Du kannst alles sein, was ich mir zu wünschen vermöchte, aber du wirst zuerst in mich hinabblicken, vorbei an allem Ungeschickten und Missratenen auf das hilflose, ehrliche Begehren eines glückstrahlenden Kleinkindes, welches noch weiss, woher es stammt und wohin es, unabhängig von jedem Schicksal, bedingungslos, zertrümmert oder unbeschadet zurückkehrt. Siehst du es jetzt im Licht deines Auges tanzen?
Wenn wir uns lieben, Trevor Husbear, dann werden wir es entweder nicht oder wir werden es für immer tun. Und wenn, dann werden wir anhänglicher aneinander sein und innovativer in der Weise, wie wir einander immer wieder neue Anhänglichkeit bekunden, als jedes andere Paar. Nein, wie jedes andere Paar, welches stauend zur Kenntnis nimmt, dass ihre Liebe nicht aus ihnen selber stammt und nicht erzeugt werden kann. Wir kriegen sie, solange wir unsre Herzhälften füreinander offen tragen, jeden Tag geschenkt. Bis wir wieder jung werden.

Montag, 22. Oktober 2007

Solitüden

Ich erzähle mir, was ich erlebe und wie es mir ergeht. Denn ich bin mir mein engster Vertrauter und ich bin so vergesslich, dass eine aufbereitete Vortagsgeschichte ganz neu klingt, bzw. viele „Weiss du noch“-Effekte hervorruft. Also, was hat „unser zerbrochene Krug“ so alles mitgemacht in letzter Zeit?
Janosch war zwölf Tage weg. Für einen mit Kurzzeitgedächtnis eine Ewigkeit. Ich hab dich absichtlich verdrängt, Kleiner. Ich fühle mich so unzugehörig wie eine aus dem Adam herausgefallene Rippe und ich weiss, dass ich dir nicht in die Seite springen darf. Also hab ich dich dem lieben Gott zugeworfen und bin tanzen gegangen, gleich viermal innerhalb einer Woche. Einmal ins X-Akt in O im 70er, 80er Discoraum. Da wird es nach einer kurzen Alkoholisierungsphase, bei der ich mich natürlich "enthalte", bald ziemlich eng auf der Tanzfläche und leicht johlende Massenhysterien heben an. Hier hab ich praktisch keine Seele getroffen und ich komme auch nicht wieder.
Dreimal war ich in verschiedenen 5 Rhythmen Anlässen. Hier ist Tanz viel eher Ausdruck von Gebet; hier ist man weniger allein (einmal war sogar ein Freund anwesend), hier lässt sich die Sehnsucht, die Einsamkeit, der Protest ausdrücken. Manchmal wird zu Begegnungen im Tanz angeleitet, welche für mich sehr lose blieben und häufig irritierten. Einmal meinte sogar ein die Arme verrenkendes, gebückt schleichendes graziles Fräulein: „Du siehst aus wie Dornröschen“ zu mir, und ich lächelte dankbar zurück! Ich fühle mich eigenartig, dabei schreit meine Sehnsucht. Im Moment bin ich vor lauter Rätsel mir selber gegenüber wieder einmal ziemlich unglücklich und erscheine mir als ernst gemeinter Witz. Was soll ich als solcher verrichten? Was kann mit dieser Selbstwahrnehmung an Schönem und Wichtigem gelingen, vor allem im Beziehungsbereich? Ich geh mit dem Hals im Würgegriff herum und ich weiss, die Frage „Was mache ich falsch?“ ist falsch gestellt. Mein Glaube ist ein Schutzpaket, welches mich tröstet und ermutigt zu jedem neuen widersprüchlichen, sich selber negierenden Schritt. Ich schreibe zur Zeit viele Gebetsliedertexte und alle träumen von der Liebe zwischen Mann und Frau. Ich bin die letztere. Es ist ein Wunder, wenn etwas wird aus dieser Fluchtvorstellung, aus dieser Erfüllung.
Dr. Prank fordert mich gewagtermassen dazu auf, die Welt und ihre Möglichkeiten als das zu sehen, was sie ist und nicht durch die Zerrbrille meiner Komplexe. Ich verspüre für diese Möglichkeiten wenig Anreiz, zu sehr hoffe ich auf eine Auflösung meiner Sichtweise von innen her. Dabei wasche ich meine Haare schon lange mit Elsève Anti-Haarbruch Schampoo. „Innovation: Doppel-Reparatur innen + aussen“ steht auf der Flasche. Wie sieht denn meine Reparatur von aussen aus? Ich kann sie mir lediglich in Form deiner Offenbarung vorstellen.
Da smilt mich jemand aus einer Distanz von nur 100km auf einer Kontaktseite im Internet an (der „Rekord“ liegt etwa bei dreieinhalb Tausend Kilometer). Und was für einer. Einer, der alles hat nur keinen Glauben und den will er überzeugtermassen nicht, sonst wird es ZU viel an Privilegien. Er hat viele liebe Freunde, liebe Eltern und Geschwister, eine Karriere, seine Kunst... Nicht einmal einen Partner braucht dieser Single mehr zu seiner Erfüllung. Wir chatten stundenlang. Ich weiss, dass ich virtuell ein interessanter Kommunikationspartner sein kann. Aber Goya mag auch meine Bilder. Und meine Sehnsucht ficht wieder harte Kämpfe mit meinen Selbstzweifeln aus. Mir ist als würde ich innerlich durch einen sauberen Abfluss gleiten und nur mein Herzmuskel bleibt oben im Sieb zurück. Wie geeignet ist ein solches Lebensgefühl für Beziehungsarbeit? Sie setzt ein grosses Wunder voraus. Aber ich glaube an dieses Wunder, da ich es jeden Tag suche, erflehe und heraufbeschwöre. Ich bin gespannt, aber ich fühle mich schwer. Wann werde ich durch deine Ziellinie laufen, liebender Gott? Ist es ein Kokon, den ich spinne mit meiner Hoffnung auf dich oder schaufle ich ein Grab, in dem ich verwese? Bist du eine ambulante Klink und bleibst du zeitlebens meine einzige Betreuung? Soll ich mich noch oft unmöglich verlieben, bis es Zeit wird, meine verblendeten Augen zu schliessen? Es ist schade um die Wirkung meiner menschlichen Potenziale, dass ein solcher Deckel auf mir liegt. Es gäbe weltweit derart viel zu tun für die Befreiung destruktiver Ängste. Aber so wie es ist, bin ich froh, wenn ich nicht der einzige bin, der sich fürchtet.
Ich ging gestern zum Ersttreffen einer neu entstehenden Männergruppe, da „meine“ Männergruppe ja Minimalgrösse hat. Aber meine Liebessehnsucht hält mich davor besetzt, mich einzulassen. Der Leiter hat einen jesuanischen Namen und die Natur eines Urvaters wohnt in seinem Körper. Wir waren draussen und es wurde kühl, aber er drücke Wohlsein aus in seinen kurzen Hosen und blossen Füssen. Wieweit wäre er mich zu tragen in der Lage, inwieweit würde ich ihn dazu befähigen können in einer Gruppe? Für viel Geld würde vielleicht etwas zeitbedingt entstehen? Und wieder wäre es erkauft und keine Freundschaft.
Bald sehe ich dich wieder, Janosch, nach diesen zwölf Tagen. Wenn mein Herz sprechen könnte statt Blödsinn zu dichten! Hoffentlich werden dir meine Augen sagen, dass ich dich zu vergessen versucht habe, weil ich dich unglücklicherweise mag.
Lieber Janosch
Du fährst weg ohne das Lied, welches in Textform dir mitzugeben mir vereitelt wurde. Gestern habe ich mich von dir für zwölf Tage verabschiedet. Manchmal bist du mir so nah und fern, dass es mich beinah zersprengt. Aber ich weiss, dass dieses widersprüchliche Muster mir auf die Seele geschrieben ist. Und so nachhaltig bitte ich Gott schon, dass er es mir auflösen hilft, denn ich möchte dich gewinnen.
Meine zwei Genossen vom Erfahrungsaustausch raten mir von jedwelchen Bekenntnissen dir gegenüber ab. Und ich fühle mich vor den Kopf gestossen. Ich will, dass die Wirklichkeit einer freundschaftlichen Liebe zwischen uns hereinbricht. Aber mich halten die Zweifel zurück, die aufgrund meiner Aufgebrochenheit vorliegen. Ich fürchte manchmal, ein funktionsuntüchtiges Herz zu haben. Damit würde ich dich möglicherweise beleidigen, nachdem ich dir ein Freundschaftsangebot gemacht hätte. Aber ich bin treu trotz allen Handicaps. Ich würde zu dir halten, selbst wenn ich dich enttäuschen würde. Du hast bei mir diesen Stellenwert, nur ich habe leider keinen.
Gestern ergab sich eine Konstellation, bei welcher du pseudo-konkurrenzierend neben mich gestellt wurdest. Pseudo-konkurrenzierend, weil es für mich an sich eine Beleidigung ist, mit dir verglichen zu werden. Darf man jemanden mit einem vergleichen, den man selbst vergeblich zu gewinnen versucht? Ich fand es unfair und es hat mich verletzt. Ich habe trotzig reagiert: „Ich schaff es trotzdem, auch wenn ich ständig versage.“ Wenn ich sterben könnte um für dich ein Bäumchen zu spriessen, vielleicht würde ich es tun. Und wenn du keine Bäumchen brauchst, irgendetwas wird es trotzdem geben, was dir hilft, das dich noch zuversichtlicher und froher macht. In jenes würde ich mich gern durch den Tod verwandeln, wenn ich nicht gebrochenermassen dein Freund sein kann.
Ein gebrochener Freund hat auch Vorteile, Janosch. Er ist anspruchslos. Er ist zwar leidend, aber er ist einfühlsam bis weit unter die Haut und er ist verschwiegen und er hat, wenn du daran glaubst, heilerische Fähigkeiten. Ich glaube nicht, dass ich dir unnütz bin. Aber ich bin mir selber lästig. Ich kämpfe täglich um meine Berechtigung. Ist das nötig, Janosch, wo du nur ein Wort sagen müsstest? Bald werde ich es wissen. Noch leide ich an deiner Fahrtrichtung, weil sie dich von mir fortführt. Aber bald kommst du zurück. Und ich hoffe, dass nach wenigen weiteren Missverständnissen und Aufschüben endlich etwas klar wird.
Lieber Janosch
Ich sehe dich manchmal wie in einem Film, und wenn ich von dir ungute Gefühle wahrnehme, möchte ich einbrechen und dich herausholen. Ich glaube, ich werde invasiv. Und manchmal bin ich in einem Film und habe ungute Gefühle und wünschte, du nähmst mich fort auf eine Zeitinsel. Wir ziehen aneinander vorbei, es ist wunderbar dich zu sehen, und manchmal ergeben sich unmissverständliche Begegnungen.
Ich hab es nicht geschafft, Kamerad. Ich konnte dir was ich mir vorgenommen hatte, nicht mitteilen. Offenbar zog der Film in eine andere Erzählrichtung. Ich will mich nicht herausreden, es war mir einfach nicht möglich. Ich hätte mich betrogen, wenn ich es willensmässig durchgesetzt hätte. Aber nun lastet das nicht erbrachte Geständnis nach. Die Gefühle nehmen nicht ab. Ich werde richtiggehend durchmassiert auf deinen kleinen Namen hin. Ich halte beständig nach dir Ausschau, schon vor und auch nach unseren Auftritten auf dem Filmset. Ich gehe den Szenen nach zu jeder Zeit, wo immer ich mich bewege. Und so unwahrscheinlich es ist, dass sich mein Wunsch einer gemeinsamen Gestaltung erfüllt, umso konkreter formen sich die praktischen Vorstellungen dazu aus. Hast du mein Gebet gelesen? Ich bete nun ganz heiss, dass du beginnst mich zu suchen. Ich habe eine Meldung für dich parat, aber du wirst sie nur verstehen können, wenn du es willst.
Ich fühlte mich defensiv beim Gespräch, das eigentlich mein Geständnis hätte beinhalten sollen. Du hast deine Anschauungen der Dinge, und du neigst zu durchaus intelligenten schwarz/weiss Überzeugungen, die ich aus meiner Position heraus gerne aufweichen würde. Lohnt es sich Kinder zu haben, damit man vielleicht im Pflegeheim einmal besucht wird? Ich weiss, du meintest das nicht so, denn du lebst wunderschön. Aber auch meine Position hat seine Gültigkeit, so fremd sie dir erscheinen mag, und von mir aus auch so tragisch sie ist. Du lebst besser und hoffentlich stirbst du auch besser als ich, obwohl ich sehr gerne schön sterben würde. Dennoch finde ich, du solltest mich kennenlernen und dich mit meinen Auffassungen auseinandersetzen. Denn kennst du schon alles, was du bist, und weißt du, welch hohen Wert deine Geläufigkeiten bei mir haben? Suche mich, Janosch, denn ich trage dein Lichtlein in meinem düsteren Herz, welches du so hell machst, dass es knarrt. Du weckst in mir einen Wunsch, der für niemand anderen offen ist, momentan.

Samstag, 13. Oktober 2007

Lieber Janosch
Wie geht es dir, kleiner Mann? Du hast schon viele Tote gesehen, nicht wahr, und scheinst so munter. Ich bin die Art Mensch, die sich über so etwas Sorgen macht und sich gleich darüber wieder Sorgen macht. Ich taufe mich um, ich heisse ab nun „Nik Macht Sich Sorgen“. „Nik Macht Sich Sorgen“ so, als ob ich keine hätte. Aber da kannst du nichts dafür. Im Gegenteil: Du entlastest mich, wo du kannst, und ich werde dadurch noch schwerer. Darf ich bitte auch einmal dich entlasten? „Ja gerne“, sagst du, „wenn du das kannst. Du musst aber nicht. Ich bin der Held und du die Prinzessin.“ Schöne Prinzessin. Warum suchen sich Helden unzufriedene Hühner? Damit sie das Unmögliche versuchen dürfen? Du versuchst das Unmögliche an mir, Janosch, und ich bin auf jeden Fall unzufrieden. Nennt man das Charakter? Ich bin verzaubert, Janosch. Kannst du ent-zaubern? Denn scheinbar bin ich unglücklich, wenn du das nicht rund um die Uhr versuchst. Was gewinnst du aber, wenn du’s vermagst? Du siehst, ich beisse mir selber in den Schwanz. Aber ich finde keinen Ersatz; für dich, meine ich. Ich versuche meinen Geist zu lenken durch eine Bilderwelt von Vorstellungen, wo ich Glück und Ruhe finde; wo ich entzaubert bin und als fairer, hilfreicher Mensch lebe, und dein Gesicht schiebt sich immer vor diese Bilder. So sehr hab ich meiner Animussuche verschrieben, dass ich abhängig geworden bin vom Prozess, meine Liebe zu projizieren. Du bist mein Opfer, du bist mein vordringlichster Täter, denn deine Zeichen und Zuwendungen sind bei weitem die wirkungsvollsten im ganzen Umkreis. Bin ich matt oder sind wir patt? Du liebst mich nicht, Janosch, nicht wahr? Doch, du liebst alle, du liebevoller Mensch, aber du liebst mich nicht mehr als dir lieb ist, denn du bist vernünftig, klug, lebst gern umsichtig und gesund.
In unserer Zeit und Kultur wird die Konsequenz von Folgendem als bedauerlich hingestellt: Ich rapportiere jedes Detail, das mich kümmert, Gott, der die vollkommne Liebe ist. Das löst meine Banden gewissermassen von dir, Kleiner. Aber sogar Gott lebt gerne gesund und schickt mich immer wieder zu mir nach hause: Ich soll mir selber etwas einfallen lassen. Und weil ich keinen Fernseher habe, tanze ich. Das ist gut für die Bandscheiben. Hier finde ich die Aufmerksamkeit wieder. Musik ist wie ein wirklicher Traum. Ich bin jemand, man mag mich. Hier stört mich nicht, dass der Schachtdeckel meiner Seele fort ist, hier fliesst frisches Wasser durch den Kanal und löscht den Sod. Alles ist wunderbar erträglich, mit jedem Takt erforsche ich den Tanzboden über den Wolken, wo ich dich sehe.
Wer tanzt mit mir? Wer möchte die Zeit vergessen? Wer möchte sich erinnern an die Gegenwart? Wer hat Schwierigkeiten mit dem Unmittelbaren? Wer kann sich schlecht auf konkrete Situationen beziehen? Wen mutet die „Wahrheit“ auszusprechen unverantwortlich an? Egal, ich habe einem Tanzbären im Internet gemailt, dass ich ihn suche. Er ist 168cm, kräftig behaart und hat einen Kronprinzen zum Freund. Also optimale Bedinungen. Janosch, dein Lächeln, diese verschmitzte Zahnstellung mit den kleinen Abständen, die leuchtenden, manchmal wie meine gespenstigen Augen (wenigsten kommen die Geister auch zu dir – du zeigst ihnen schon den Ausgang!), all dem die Vehemenz der Unlebbarkeit zu nehmen, ermuntert mich, weitere Risiken auf mich zu nehmen. Ich glaube, dass ich einen Tanzbären finde. Dieser Satz gehört in mein Credo. Ich finde das realistisch. Ich werde so lange 5 Rhythmen Anlässe besuchen, bis die Satzzeichen, die ich körpersprachlich setze, Repliken erhalten. Wie halte ich dich, pelziger Tanzbär? An der Schulter oder an der Hüfte? Wie wirken Berühungen nicht plump bezogen auf die Bewegungsabfolge? Was ist technisch anders, wenn Mann zu zweit ist? Potenziert sich zu zwei die Vielfalt möglicher Tanzfiguren? Gibt es hier auch schwerwiegende Missverständnisee und wie überkommt Mann sie? Endlich stell ich wieder ein paar exsitenzielle Fragen, die nicht deinen Namen tragen, Kleiner. Denn du tanzst wohl nicht. Das würde mich zu sehr wundern. In vielem bist du arg hetero. Dir geht es mehr um Inhalte denn um Form. Du bist ein Mittelpunkt und alles, was dich stärkt, zieht dich an. Du willst Gewichte tragen nicht unbedingt mit ihnen jonglieren. Aber du singst. Du singst eine sichere Linie und ich fiel jedesmal aus der Melodie, als du in mein Klavierspiel einstimmtest. Du tratest nahe an mich heran und sagtest mit deinem Akzent, ich hätte einen Fan, weil jemand von den Zuhörenden mitklatschte. Aber ich schere mich nicht um Fans, kleiner Sänger. Ich schere mich um niemanden, und das verteilt mein Interesse so schlecht. Aber du siehst, ich bete, dass ich es nicht zu sehr allein auf dich abstelle, und es trägt Früchte. Ich finde meinen Tanzbär. UND: Bald werde ich dir sagen, dass ich mich hier so tiefgreifend mit dir beschäftige. Ich möchte nicht alt werden; ich möchte mutiger werden im Kampf um die Sterblichkeit.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Lieber Janosch
Danke. Das will ich dir nicht vergessen, wie du mich nach 17 Tagen „Fernweh“ wieder begrüsst hast. Du zeigtest mir ungefähr die Fröhlichkeit eines Fünfjährigen, der seinen Papa wieder hat; nein, der Geburtstag hat, seinen eigenen, ganz für sich! Der liebe Gott gönnte mir, dass ich mich in einem Hoch befand. So vermochte ich die Freude anzufeuern und hoch in die Luft zu schlagen. Was für ein Fest, wenn die Herzen wehen mit brennenden Flaggen.
Ich verstehe schon, was in mir vorgeht, kleiner Held. Ich bin addictable für den Schein, der aus der Seele eines starken Mannes leuchtet. Und offenbar hast du Risse in deinem Gestein, gepanzerter Soldat, dass dieses Licht so hell aus dir heraustreten kann. Vielleicht haben wir analoge Wunden, dass es dermassen zwischen uns korrespondiert? Ich muss einen Umgang finden mit meiner Sucht. Ich darf nicht meinen, dass alles – Fluch und Segen – von deinen Reaktionen abhängt als wären wir Mutter und Kind, und vor allem sollen sich nicht unzählige geheime Erwartungen von meiner Seite her dazwischendrängen. Bald seh ich dich wieder. Wie lerne ich, dass das nicht ein und alles ist? Wie verbiete ich mir die Absicht, wieder zu der gleichen Intensität im Kontakt mit dir vorzustossen? Ach wo, ich lasse die Impulse zu! 17 Tage hatte ich ausgeharrt, und die Abwesenheit deines hellen Scheins stellte mir dich ins falsche Licht, nämlich in die Dunkelheit vieler Zweifel. Nun will ich mich einfach freuen und berühren lassen. So viel ist unausgesprochen im Gedanken an dich. Aber wenn du da bist, gibt es keine Geheimnisse mehr. Ich werde mir deine Hände anschauen, die hellen kurzen Haare auf deinem Unterarm; ich gehe in deinem Gesicht spazieren, während du redest, und der Kreis wird – fast – geschlossen sein. Ich will ihn gar nicht vollends schliessen. Die Öffnung darf ruhig bleiben.
Wieder hab ich etwas Schönes von dir erfahren, ganz beiläufig. Dass du Vögel gerne magst. Und dass, wenn man dein Herz in Paris aussetzt, dessen Flügel dich gezielt und schnell nach hause tragen. Genau das meine ich mit der Seele des starken Mannes. Du hast eine Seele voller Sehnsucht nach zuhause. Und du hast ein schönes, ein eigenes Zuhause und dennoch ziehst du in die Ferne.
Es geht nicht um ein praktisches Uns Zwei, nicht wahr? Es geht, so wie ich Gott von meiner Seite her gedacht verstehe, nur einfach um die Berührung und die Erkenntnis, die darin liegt. Es geht um das kairologische (=erlösende) Moment. Du vermagst haarscharf meine fröhliche Kindseite zu reizen, und du wirst das noch 10000mal tun. Wieviel davon beabsichtigst du? Aber 10000 Male bist du dann wieder für Stunden und Tage fort. 10000 Mal kann ich mich dann wieder auf dich freuen. Du spürst auch mein Licht, nicht wahr? Nie haben wir darüber gesprochen. Doch, gestern sagtest du indirekt, dass wir harmonieren möchten. Ich konnte dich darauf hin nur glücklich ansehen, ohne irgendeine Träne im Gesicht. Ich vermochte auch nicht nachzudoppeln, aber irgendwann werde ich wohl einhaken. Gewollt oder ungewollt, mich drängt diese Bewusstmachung. Es dünkt mich naiv, nonverbal zu kommunizieren. Gestern fragtest du mich auch, wie es mir geht. Und ich war immerhin ehrlich genug um durchscheinen zu lassen, dass mit mir nicht alles in Ordnung ist. Ich will dich nicht belügen. Mein Vater hat stets vorausgesetzt, dass es einem gut geht. Und seine Wirkung war nachhaltig suggestiv. Es brauchte herkulanische Arbeit um mit der bösen Wahrheit vor ihm herauszurücken. Ich unternahm diese Anstrengung ungefähr dreimal, aber mein Vater kehrte immer zur alten Ausgangslage zurück. Und zwei Gesichter begannen sich in mir abzuzeichnen, zwei sehr kontrastierende Gesichter. Schon länger schaut es so aus, als wäre meine Vater-Beziehung von beiden Seiten her zerschlagen. Dabei müsste er meine Geschichte mit ihm kennen; er müsste wissen, dass diese Geschichte mit der Liebe begann.
Du selber antwortetest mit einer unvergleichlichen Gebärde, dass es dir gut geht. Diese Gebärde verstand ich im Sinn von: „Ich will ja schliesslich, dass es mir gut geht und ich setze mich erfolgreich dafür ein.“ Ja, Kleiner. Irgendwie scheinst du vieles richtig verstanden zu haben. Du bist weniger in Fehler eingepackt. Deshalb möchte ich so gern, dass du mir weiterhilfst.
Du spürst mein Licht und du bist dafür unvergleichlich empfindsam. Es bedeutet dir etwas zu wissen, dass sich hier eine fremde Intelligenz bewusst und tief mit dir im hoffenden Sinn auseinandersetzt. Ja, ich möchte, dass mein Licht dich immer bescheint. Du scheinst mit so wenig zufrieden. Du willst sonst nichts von mir. Du weißt, dass das Wesentliche darin enthalten ist und dass es nur frei, ohne Gewähr und Garantie geschenkt werden kann. Ich aber bin ein bisschen süchtig nach dir, Janosch. Leg mir deine Hände auf und heile mich von dieser Sucht. Irgendwann will ich dir sagen, was mit mir los ist. Und dann hoffe ich, dass sich Gottes Stärke in meiner Schwachheit offenbart?

Dienstag, 9. Oktober 2007

Mama oder "The only love they'll find is Paradise" (Seal)

Manchmal überkommen einen die Gedanken.
Dein Schicksal übersteigt mich, Mama. Als Kind habe ich es persönlich empfunden, wenn sich dramatisch äusserte oder du apathisch stillschwiegst, wenn dich das Leiden überschattet hat. Eigentlich hatte das Leiden dann dich und nicht mich gemeint. Aber versteht ein Kind diesen Unterschied? Heute versteh ich deine Aussage von damals, als ich in der Primarschule meine Familie beschreiben und unter anderem ihre Hobbies nennen musste: „Schlafen“, hast du geantwortet. Ich schrieb es hin, empfand es aber als Beleidigung. An der Oberfläche meinte ich, du hättest keine Lust, für meinen Aufsatz zu kooperieren. Weiter unten machte ich mir wohl Sorgen, dass die Ursache für dein „Hobby“ tiefer lag. Wenn mich heute mein Kind interviewen würde, mit welchem Alter ich zu sterben wünschte, wenn ich die Wahl hätte, würde ich dann mein aktuelles Lebensjahr nennen, wenn mich gerade das Leid wieder heimsucht? Es vermag wohl kein Elternteil je durchgängig pädagogisch hilfreich zu wirken. Manchmal ist die „Wahrheit“ stärker. Was ist die Wahrheit über dich, Mama?
Inwieweit, Dr.Prank, ist psychisches Leid kurierbar? Worin besteht es überhaupt? Sie würden Ihrem therapeutischen Berufscodex gemäss antworten: Ja, es ist kurierbar und es besteht aus einer Fehlprägung. Sie sind in meinem Fall noch nicht erfolgreich, vielleicht weil ich Ihre Überzeugung anhand meiner Erfahrungen nicht teile; jedenfalls werde ich immer wieder, häufig und an meiner Sensibilität gemessen, viel zu massiv angefallen. Die Angriffe erscheinen mir wie Attentate; ich erkenne kaum Erspriessliches darin. Lediglich Alarm. Sie, Dr.Prank, sind einer meiner Crew, die mich wiederherrichtet. Zeitweilig betrachte ich meine gesamte Lebensführung als solche Crew. Auch dich, Janosch, instrumentalisiere ich für meine Abwehr gegen die Anschläge.
Dir, Mama Beatrice, bin ich kürzlich wieder begegnet. Du hattest keine deiner Wutexplosionen, und du wirktest fragil und durchgeschüttelt. So viel mehr und so viel heftigere Angriffe hast du schon überlebt. Was wurde schon von deinen Träumen weggesprengt, was steht noch von dem Bunker, in welchen du dich flüchten wolltest, wenn es ganz arg kommt? Lebst du nur mehr noch von Luft?
Du weitest meinen Glauben, Mama. Du pushst ihn jenseits jeder Axiome einer moralischen Gerechtigkeit, welcher auch der neue Churer Bischof weiter Vorschub leistet und Menschen in Not wie mich damit nur abschrecken kann. Jesus hat alle menschlichen Ideale, nicht nur die Gerechtigkeit an sich demonstriert, nein sogar vor Zuwendung und Liebe hat er nicht Halt gemacht durch seine Verurteilung und Hinrichtung. Du bist nicht unschuldig wie Jesus, Mama, aber auch du wirst nicht für deine Fehler hingerichtet; du erleidest das Leben jenseits jeder Hoffnung und freudiger Erwartung. Wie irreführend spricht die Natur das Gleichnis eines unverdorbenen Samens: Man wächst, man blüht, man wird gross und stark und überdauert. Was aber gilt für uns, wo von Anfang an der Wurm drin war? Was geschieht mit unserer Anstrengung, mit unserer Disziplin, mit unserer Hoffnung? Sie wird durch erschreckende Tatsachen belehrt in einer langen Lektionsreihe, indem jede aufbauende Erkenntnis widerlegt wird. Nicht in der Therorie zwar, aber in der Praxis: „Was in 100 Fällen hilfreich ist, wird in dir nicht greifen. Es fällt wie in einen hohlen Schacht.“
Ich beobachte es an meinem gesunden Lebensstil. Niemand kann mir einen ernsten Vorwurf machen. Ich ziehe alle Register. Du hast weniger gesund gelebt. Jetzt aufs Alter eher. Du übst mehr Schonung. Aber du bekommst kaum, was angeblich hilft: Eine wohlwollende Beobachtung oder nur schon Beachtung. Du hast einen wunderbaren Mann, aber er hat dein Schicksal unterschätzt und er trägt selber an den schweren Folgen. Ist das eine christliche Geschichte, die ich hier erzähle? Ja, es hätte noch schlimmer werden können. Wir sind alle erhalten geblieben mit allen Verlusten und wir beurteilen einander längst nicht mehr nach Verdiensten. Uns ist allen in die Knochen geschrieben, dass der Tod ein ungeheures Erlebnis sein muss.
Ich weiss nicht wie es weiter geht. Wenn Kinder mit Bauklötzen spielen, die wieder zusammenfallen, dann scheint das Unternehmen vergnüglich, denn sie werden wachsen und in ein paar Jahren Baupläne umsetzen, ob welchen Erdbebenopfern das Zittern ergreift. Was aber wenn die Kinder erwachsen sind, und man sieht, dass mit ihnen etwas nicht stimmt?
Du hast vier Kinder gross gezogen und du tat’s es unter deinen Bedingungen erstaunenswert. Alles lief vorbildlich; du fördertest jeden von uns über die Massen und mit grossem Einsatz. Alles stimmte nur der Erbcode, die Beziehungsmuster und die Konfliktbewältigung nicht. Es scheint zur Brutalität der natürlichen Ordnung zu gehören, dass ausgerechnet das massgeblich sein soll? Ich jedenfalls will in meinen Sackgassen nicht weiter experimentieren und muss nur einen Ausweg aus meiner Liebessehnsucht finden. Realistisch betrachtet ist sie bezogen auf ein menschliches Gegenüber chancenlos. Die Namensreihe hehrer Männer wird sich weiter fortziehen, bis ich aus dem Traum erwache? Wie lange hab ich versucht mich mit Erkenntnislehren über das Glück aufzumuntern, aber ich trage zu einer erlösteren Welt nichts eigenes nur fremde Beobachtungen von gesunden oder sterbenden Menschen bei.
Sag, Mama, bin ich fair oder hab ich etwas unterschlagen? Hab ich etwas nicht beachtet, was für dich hoffnungsvoll und lohnenswert erscheint? Betrachte ich es lieblos, wenn ich dich als ein Opfer von Explosionen sehe, von denen die ersten dich schon früh destabilisiert haben in Hinblick auf ein menschliches Glück? Vergeblich bautest du daran. Immer waren Sprengsätze darunter. Ich kann mich selber nicht entschärfen trotz unzähligen Versuchsmethoden. Ich glaube diese Macht war in dir noch stärker. Ich glaube, dein Schmerz ist schlicht unermesslich. Und nie tut er mehr weh als ihn untrüglich in der eigenen Mama zu erkennen. Aber du hast früh verlangt, dass ich diese Wahrnehmung unterdrücke. Ich konnte mir schon ganz früh deinen Tod vorstellen als das grosse Etwas, das dir etwas zu geben vermochte gegen dein Leiden. Ich wollte dir zum Leben helfen aber du wusstest, das war der grösste Unsinn und du triebst mir diese Idee mit einer würdevollen Kälte aus. Du wolltest immer, dass ich mein eigenes Glück schmiede, statt dein Unglück zu reparieren mit heuchlerischem Selbstmitleid. Aber ich glaube, es war bereits zu spät. Ich revidiere jede Woche meine neuen Absichten, weil die alten zwar lauter waren, aber vernichtet wurden. Sehe ich das richtig? Ich meine, jetzt wo wir uns unterhalten könnten? Ich habe wie du keine Erwartung. Auch ich bin kalt und kann ohne dich sterben. Aber einen Retter wünsche ich dir, der dich, und wenn’s nur subjektiv ist, in manch seltenen Momenten fröhlich, nicht einmal zuversichtlich, aber selbstvergessen sein lässt.