Lieber Stefan, ich nenne dich heute so, weil du dann Namenstag hast. Die andern kennen dich nicht, wir sind uns vertraut durch einen Mailwechsel, einen Chat auf einer Kontaktseite im Netz. Gerade heute habe ich dir gemailt. Wieso wende ich mich bereits wieder an dich über einen anderen Kanal, den du (noch) nicht kennst? Weil dieser Mailwechsel mich beschäftigt, weil ich after thoughts habe, was mein Mail von heute morgen anbelangt, das ich aber dir gegenüber nicht offen kommunizieren kann, weil du mich beschäftigst. Es gibt so vieles, das ich über uns zu wissen meine ohne dass ich es dir gegenüber ausdrücken darf, weil die Zeit nicht richtig ist. Ich müsste warten bis du offener wärst für meine Gedanken, aber warten kann ich nicht, ohne dass die Gedanken zurückstauen, denn sie bedrängen mich.
Ich nehme gern ein paar Schritte aufs Mal, bzw. lass einige aus, weil das Wunschdenken schneller ist als jede geordnete Absprache. Das kennst du selber auch. Aber du hast keine Wunschgedanken, die meine Person betreffen. Sie betreffen jemand anderen und deshalb bist du für meine, die dich betreffen, nicht offen. Du weißt, dass du mir deine Gedanken, den anderen betreffend, mitteilen darfst, ohne mich dadurch zu verletzen; denn ich bin aufrichtig an dir interessiert und an dem, was dich bewegt. Aber auch mich bewegen Dinge. Und ich bin froh, mich über dieses Journal mitteilen zu dürfen. Wem? „To whom it may concern“, habe ich diesen Eintrag, und könnte vielleicht alle kommenden Einträge übertiteln. Vielleicht darf ich mich auch dir mitteilen? Wenn der Zeitpunkt stimmt? Oder unter der Voraussetzung, dass die Dinge, die ich hier bespreche, belletristischer Natur sind? Also nicht auf die selbe Art real, wie unser Mailkontakt, bei welchem ich mir inhaltlich mehr Rechenschaft ablege, was ich dir mitteile. Ich sag dort nichts oder kaum etwas im übertragenen Sinn. Im Gegensatz zu hier. Hier kommuniziere ich mit dir, mit jedem, mit dem ich will, auf einer freieren Ebene. Hier dichte ich die rationalen oder psychologischen Einwände weg, die gegen eine Verlautbarung von geheimen Gedanken sprechen. Poesie. Ist sie nicht geeignet für eine „Achtsamkeit gegenüber der Liebe“, meiner Liebe, meine ich? Ist Liebe nicht leichtgläubig und naiv und navigiert freimütig und vergnügt an Hindernissen oder Zeitverschiebungen vorbei, weil sie die Wahrheit besser kennt als Vernunftgründe das tun? Meine Liebe ist so. Für sie spielt es keine Rolle, ob dir meine Nase nicht gefällt oder mir deine Arme zu dünn sind, wenn wir uns treffen. Ihr einziges Anliegen besteht darin, uns jeseits solcher Lapalien zusammenzuführen, für immer, und aus gutem Grund. Ja, meine Liebe kennt dafür viele guten Gründe, sie ist hellsichtig und klug. Sie könnte dir über Seiten erzählen, wie wir zusammen leben, was wir zusammen tun und gemeinsam erschaffen. Sie hat Visionen parat, wie du sie hast für deinen Freund, der auch kein Gehör dafür hat. Ist diese Seite hier nicht vermittelnd? Ist sie keine Paarberaterin? Stell dir vor, du hättest die Ablenkung nicht mit jemandem aus dem Süden von Osteuropa. Ich nenn es freiheitshalber einmal „Ablenkung“. Stell dir vor, ich hätte meine Vorbehalte nicht, dass es nicht klappt, was heisst "klappt"? Nicht schlägt, nicht hüpft, nicht tanzt, unser Herz bei unserer ersten Begegnung, bei unserem realen Kennenlernen und unserer gegenseitigen Erkenntnis: Mit dir verbringe ich den besseren Rest meines Lebens. Was wir nicht alles schaffen könnten, Stefan vom Stefanstag. Ist es nicht unglaublich? Ist es nicht noch gar nie dagewesen? Fantastisch? Bombastisch? Apokalyptisch? Ist dir bewusst wie ungemein kreativ wir zusammen wären? Nein. Du hast davon noch keine Ahnung, weil dir die Einsicht der Liebe fehlt. Noch bist du verschlossen in deiner schönen Muschel und weinst eine Träne um den anderen Geliebten. Um jenen, mit dem du kreativ sein möchtest. Ich wünsche es dir! Ich wünsche es dir von Herzen, denn ich weiss, wie allmächtig deine Wunschgedanken sind. Aber gehören wir nicht gerade deshalb zusammen? Potenziere deine Wunschgedanken mit meinen – ich hab sie noch gar nicht fertigi ausgesprochen – und ein Staunen wird sich unser bemächtigen. Ein Beben wird uns erfassen, wie im Taumel stolpern wir über die Jahre und jedes Jahr zu Weihnachten tragen wir einen Berg Geschenke ab aus dem unerschöpflichen Erzwerk unserer Liebe und legen sie unter Tannenwälder und beglücken damit die ganze Welt, damit alle wieder wie Kinder werden, wie Kinder, die wir waren und wieder wurden an dem Tag, als wir zusammenfanden. Und wenn du stirbst - nach mir, ich bitte dich, Stefan - wird man dich als Märtyrer feiern in einer grossen Prozession. Als Märtyrer, weil du mehr Liebe verbreitet hast, als ein Menschenherz fassen und ertragen kann. Steinigen wird man dich mit den Geschenken, die wie Kinder aus dem geboren sind, was du geschenkt hast aus deinem guten, nimmer müden Herzen, das sich in meinem hörte und die Welt verzauberte in einem Feuerstrom von Melodie. Stefan, mein lieber Schwan. Ich ende dieses Gebet taumelnd und trunken. Und danke dir, dass du schweigend zuhörst, wie ich jetzt gar nichts mehr sage und dich nur noch schweigend betrachte in der Freude eines ganz grossen Glücks. Dein Nik
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