Donnerstag, 3. April 2008

Oh!stern

Ich hab schon vor Beginn des Jahres kühn behauptet, dass es mir gut geht und dazu steh ich auch noch nach drei Monaten, wobei ich das ein wenig spezifizieren will.
Ein neues Steckenpferd von mir sind Pilgerfahrten auf meinem Drahtesel zu abgelegenen Kapellen in der – vorerst – näheren Umgebung (wozu gibt es Fahrradtransporte mit der Bahn?). Diese Unternehmung entspricht sehr meinem Naturell: ich brauche ja den sportlichen Leistungszwang, um mich vital zu fühlen; das ganze ist sehr religiös angehaucht, weil ich die Fahrt als eine Fluchtbewegung in Gottes liebende Arme empfinde, welche mich einstens definitiv umschliessen und drittens entspricht es einem konsequenten Umgang mit meiner grossen Einsamkeit. Eine dieser Kapellen liegt in der Region, wo meine erste Liebe verheiratet ist mit Kind. Ich hab die kombinierte Geburts- und Hochzeitskarte noch, und wenn ich sie anschaue erinnere ich mich unmissverständlich daran, weshalb ich so verliebt in ihn war. Kaum auszudrücken, was einem von diesem Bild ausgeht. Aber man ist ja Hobbyschriftsteller, man kann das schon ausdrücken!
Da ich einsam war auf meiner Fahrt, unterhielt ich mich fiktiv mit diesem Mann. Es ging ganz leicht; problemlos konnte ich ihm meine Probleme und meine grossen S/T/Rümpfe schildern. Aber vermutlich war ich schon traurig, dass ich nicht sein Freund – und wenn es 1 Freund unter 10 wären – sein kann. Wieso eigentlich nicht? Ich bin nach all den vielen „Arbeitssitzungen“ mit Dr. Prank und vorher mit Prof. Altherr nach wie vor verblüfft, wie manches - trotz meinen optimistischen und kreativen Anflügen zwischendurch - offensichtlich nicht funktioniert. Jedenfalls ziehe ich den fernen Liebengott unter keinen Umständen real lebenden, lieben Bärchen vor! Aber die Connection, die Connection finde ich nur zum allmächtigen Erbarmer. Mit allen andern ist es irgendwie foutu. (Cooles Wort, Sheagle, findest du nicht, und wieder mal so trippelsinnig wie „Strümpfe“, weil man es, nach Silben getrennt und frei übersetzt mit „Irrsinn tötet“ wiedergeben könnte. Ich bin nicht irr, aber meine Einfälle und Abstraktionen heben mich schon sehr aus lebendigen Kontexts heraus!)
Solch schmerzliche Widersprüche wiederholen sich auch immer noch mit Janosch. Gestern trafen wir uns zum Gruppenspiel und ich empfand mich wieder einmal ziemlich vollständig "ausgeblendet", "weggetreten" oder wie ihr das nennen wollt. Ich stehe dann nicht als Sozialwesen in der Gruppe, sondern bin ständig mit unauffälligen Manövern beschäftigt, um davon abzulenken, dass in mir eine unscharfe Dynamitstange gezündet ist mit einer kilometerlangen Lunte, die mich bündelt. Wem wünscht man eine deartige Selbstwahrnehmung? Höchstens sich selber, damit man das Gefühl hat, jemand besonderer zu sein.
Jedenfalls musste Janosch – es ist immer Janosch, alle wollen Janosch, wenn man einen Kapitän ohne Tätowierung braucht... Also, Janosch musste sich aus der Gruppe Leute wählen für ein Spiel. Und er wählte – trotz respektablen Auswahlmöglichkeiten – als ersten: mich! Ich weiss nicht, was dich dazu bewegt hat, kleiner König, vielleicht spürtest du Erbarmen oder du hast ein Herz für die Komischen unter uns, jedenfalls befreitest du mich damit aus dem sozialen Tod. Ich war schon ganz taub geworden, mein Hirn pulsierte nur noch ganz dumpf, meine "Persönlichkeit" war auf Urlaub. Ich war so versunken, dass ich dich weder anblickte, noch dir sonstwie dankbar war, aber wieder einmal traf mich aus der Ferne dein Strahl. Ich stellte mich hinter dich, aber ich spürte nicht, dass du anwesend warst. So still können Mitmenschen leiden in völlig oberflächlichen Situationen. Die Ferne zu dir, wie zu allen Menschen, die ich brauche, ist eine Qual, und dir kann ich mich in keinster Weise erklären. Aber ich behaupte hier einfach einmal sinnlos: Wir, kleiner König, du und ich, wir werden einst in einem unbegrenzten, schmucken Raum zusammensein; wir werden unsere Seelen kurzschliessen und in den Luftkorridoren wird daraus eine Fülle hübscher Filmbänder abgespielt. Aber in diesem Leben werde ich dir unerklärlich und fremd bleiben. Wieso eigentlich?
Es spricht gegen jede Wahrscheinlichkeit! Ich hätte es niemals für unmöglich gehalten, dass ich ausser Johannis (Gott segne ihn) keinem Menschen, die ein Stück meiner Heimat in sich tragen, in die Nähe einer realen, harmonischen Berührung zu treten vermag. Es ist wie der unsichtbare Panzer-Glas-Schleier eines Unberührbaren um mich. Psychologisch längst(!!!) durchschaut und durchgearbeitet. Es ist schlimm. Gut geht es mir trotzdem.
Ich hab noch einen Freund und zwar den einzigen, den ich von meinem persönlichen Umfeld hier mit realem Namen nennen werde, denn ihn, dich, Carlos, brauche ich nicht zu schützen, nicht wahr? Du bist geschützt durch das Demoklesschwert des Todes, welches der U.S. Staat seit über zehn Jahren mutig über dir schwingt. Du sitzt auf 3,2x2m2 Todeszelle im Polunsky Unit Gefängnis, und du bist, weil die Unmöglichkeit dafür genügend wahrscheinlich ist, mir sehr nah; jederzeit steht meine Wohnungstüre für dich offen. Komm, trink Kaffee mit mir. Dir bin ich ein guter Gastgeber, du bist mein einziger Gast, die Gespräche mit dir sind bestimmt ergiebig. Ich möchte die Freundschaft mit dir ausbauen, denn ich vermisse auch dich: sehr! Und dich möchte ich sogar teilen, ich möchte, dass auch andere so intensiv wie ich spüre, wie liebenswert du bist, denn es tut mir leid, dass du so allein bist!

Sonntag, 30. März 2008

Lieber Janosch
Ich weiss du bist nicht Jesus, aber manchmal drängt sich mir der Vergleich auf. Dann nämlich, wenn ich mit meiner ständigen Kritik am Ende bin. Wenn ich nicht mehr hinterfragen, sondern vertrauen möchte; wenn mir ein Rat oder ein Vorbild von aussen wichtiger erscheint als mein Neid. Janosch, darf ich dir Fragen stellen, als wenn du Jesus wärst? Ich weiss, du bist kein Christ, weil nämlich das Leben für dich endlich ist und dennoch erlebe ich oft, dass du es raus hast. Darf ich dir kritische Fragen stellen als ein Christ, welcher Gott braucht, damit seine Fragen je Ruhe finden? Darf ich Fragen stellen als ein Freund, der sich auf Distanz hält, weil er nicht an die Möglichkeit von mehr Nähe glaubt; rhetorische Fragen, welche nie beantwortet werden? Also:
Wie ehrlich bist du, Janosch? Du wirkst ehrlich auf mich, aber ich bin täuschbar und naiv. Ausserdem habe ich den Verdacht, dass du nicht mit Lüge als Prinzip, aber zumindest als Zureden „arbeitest“. Wie verschlagen bist du, Janosch, in deiner Ehrlichkeit? Inwieweit bist du dir deiner Machenschaft bewusst? Inwieweit bist du natürlich in deiner unschuldigen Art der Konfrontation?
Heute nur soviel. Ich lehne mich ein bisschen an dich an mit meinen Fragen. Weißt du, ich suche Freundschaft, aber ich traue mir nicht. Ich bin ich-schwach, aber interessant. So interessant, dass ich schweigen muss, um mein Enigma nicht zu verraten. Es gibt eine Verbindung zwischen uns, nicht wahr? Ich werde ihr weiter nachsteigen, Janosch. Ich werde Jesus fragen, denn er weiss: ich hätte gern eine ehrliche Freundschaft. Ich weiss, dass ich mich selber betrüge mit meinem Argwohn, die bei mir Natur geworden ist. Aber du, bist du ehrlich? Können wir keine Brücke zueinander bauen aufgrund fehlender Voraussetzung? Dann bau du sie Jesus; die schöne Brücke zwischen Janosch und mir!
Wem soll ich vertrauen? Wem in aller Welt darf ich Fragen stellen? Es gibt keinen, der unverdächtig wäre. Aber ich brauche ihn so dringend! Jeden Tag eine Frage stellen. Jeden Tag eine verzweifelt kluge Frage! Auf die Janosch antwortet, anders als erwartet! nm

Dienstag, 11. März 2008

Vom Unterschied zwischen den Tieren

Liebe Sheagle
Du hast mich sozusagen gefragt, wie es mir geht, und so antworte ich dir mit einem Blog-Eintrag. Machen wir doch eine Momentaufnahme mittels moderner Kommunikationstechnik, nämlich dem Natel (ich habe keins) und betrachten es gemeinsam! Das passt doch zu diesem Online-Tagebuch, welches ebenfalls auf moderner Kommunikationstechnik basiert. „Früher“ war alles privat und man interessierte sich versteckt oder vertraulicherweise dafür, „heute“ ist alles öffentlich und keine schert sich mehr um das Glück oder um die Erbärmlichkeit des anderen - ausser Sheagle. Sheagle ist eben nicht „Eagle“! Und weil du nicht „Eagle“ bist, hast du mir – über ein privates Email – zurückgemeldet, dass der brüsken Absetzung der „Janosch-Reihe" in diesem Blog literarisch die Motive fehlen. Natürlich weißt du, dass es mir hier nicht eingestandenerweise um Literatur geht, sondern um mein "Leben“. Und dass ich mein „Leben“ aber umgekehrt eben nur literarisch bewältigen kann. Wie stände es um mich ohne diese Bewältigungsform? Ich hätte weniger notwendige Fluchtpunkte! „Notwendig“, Dieses Wort beinhaltet soviel geistige Sublimation! „Notwendig“, findest du nicht, ist ein typisch „literarisches“ Wort. Wie kann ein Übel die Not wenden? Lediglich indem wir das glauben oder? „Notwendig“ ist ein sehr optimistisches und an sich sehr unsachliches Wort. Auch mein Blog ist in diesem Sinn unsachlich. Und wenn ich eine Reihe absetze, ist das genauso willkürlich, wie wenn ich einen neue beginne. Ist das glaubwürdig oder verständlich?
Bzgl. deiner Unzufriedenheit über meine literarischen Kapresken muss ich einräumen, dass Janosch in meinem „Leben“ weiterhin interessant bleibt. Er hat etwas von einem Prisma, welches mein Licht spaltet. Und das macht ihn, weil es ja mein Strahl ist, den ich an ihm wie einen Kristall betrachte, äusserst „schillernd“, was die einzelnen Qualitäten dieser Lichtbrechung anbelangt. In der „Janosch-Reihe“ projizierte ich mich noch auf ihn als eine Leinwand für einen Liebesfilm. Aber die Story ist gestrauchelt. Inzwischen spiegle ich mich unparteiischer in ihm, und was ich zurückerhalte ist sehr ambivalent. Aber ich spiegle mich ja nicht nur selber, ich beobachte auch weiterhin seinen eigenen Kern, aus welchem sein Licht heraustritt. Und schlau wie ich bin(?), in gewisse Raster hab ich sein unfassbares Wesen bereits gebannt. Ich meine beispielsweise seinen Enneagrammtypen zu kennen. Damit sind wir bereits wieder bei meinen Bewältigungsstrategien. „Literatur“ ist nur eine davon und du weißt, ich betreibe sie beschämend erfolglos. Warum brauche ich denn so viele Bewältigungsstrategien? Warum „lebe“ nicht einfach natürlich dynamisch biologisch? Diese Frage stellt mir Janosch unausgesprochen jedes Mal wenn er mich sieht. Und er mag mich noch so undeutlich erkennen, seine blauen Augen wirken sehr entwaffnend. Wo ich doch schon „unbewaffnet“ bin?! Ich bin doch nur unterschwellig aggressiv! Und Janosch? Er kämpft offen und freundlich aber unvermindert ernst und geradlinig. Geradlinig. Du kannst dir das Verhältnis ausrechnen, wie sich „geradlinig“ zu meinen „Kapriolen“ verhält. Aber du darfst nicht vergessen, im Kontext, wo ich mich mit Janosch treffe, ist er King und ich der Clown. In diesem Blog hier tausche ich die Rollen. Hier ist er der stumme Clown und zieht Janosch-Enten hinter sich her wie ein kleiner Junge. So praktisch ist „Literatur“ und so praxisfern. Wie gerne würd ich ihm einmal real eins auswischen. Das hatte übrigens mit zur Beendigung der Janosch-Reihe geführt: Er hat mir einmal im - bezogen auf mein unberechenbares, seelisches Empfinden - denkbar ungünstigsten Moment die Zunge rausgestreckt. Da war ich dem Weinen nach und schwor Rache. Die Rache hält noch an, aber er legt mich jedes Mal aufs Neue rein. Ich finde der Kampf ist unfair. Er spielt mit meiner „elastischen Gefühlsnatur“. Ich kann nur entweder Eagle spielen oder lernen, ihm in einem empfindlichen Moment ebenfalls die Zunge rauszustrecken. Wie ich es jetzt hier, auf dieser Seite, tu. Stell dir einmal sein Gesicht vor, wenn er das hier liest. Sein Gesicht sähe aus wie der Dresdener Bahnhof!
Wer sich vor seinen Ängsten fürchtet, liefert sich den Mächtigen aus. Mit Wahrheitssätzen wie diesem spielt Janosch gegen mich. Er weiss, dass mich ein schlichtes Kompliment in inneren Widerstreit bringt. Drum macht er mir hin und zu eins und sieht meiner Verunsicherung lächelnd zu, als fragte er mich: „Hast du das wirklich nötig?“. – Aber bei „nötig“ oder „notwendig“ waren wir ja schon.
Ich bin Janosch nicht dankbar, dass er mich plagt, aber warum trat er sonst in mein „Leben“? Wollte ich ihn wirklich als meinen kleinen Bären? Ja! Ich will daran nicht zweifeln. Der „Bär“ bleibt mein liebster, notwendigster Fluchtpunkt. Und er ist sehr unrealistisch. Aber der Bär ist mein Dogma, und ich bin nicht sehr orthodox (aber ziemlich gläubig). Gäbe es keinen Bären, so gäbe es mich nicht. Denn ein Bär hat mich gezeugt, ein Bär bringt mich zum Altar - mit oder ohne Janosch-Ente. Danke, Adlerfrau, dass in deinen Augen nicht alles gleich ist, was kreucht und was fleucht. Schön gehst du in die Luft und Jupiter über meine Sonne! Ich hoff du bist deinem Glück auch nah? nm

Sonntag, 9. März 2008

Schablonen - Für dich, lieber M, zum Geburtstag

Es ist mir nicht gelungen.
Dieser Satz ist kein richtiger Satz, er ist Programm. Leider muss ich sagen, unser Beziehungsprogramm. Der Satz liesse sich noch verkürzen zu nur eben diesem kleinen Wort „leider“.
Statt dass ich dir erzähle, statt dass ich gratuliere, statt dass ich nachfrage; ich könnte einfach immer nur „leider“ sagen und wieder weggehen, fort-schreiten. Und mit diesem Wort würde ich jedesmal zielgenau den Kern unserer gegenseitigen Bezogenheit teffen: leider!
Das Programm hat sich zu einer fast absoluten Verhinderung entwickelt. Ver-wickelt wäre genauer, denn eine Ent-wicklung, ein Fortschritt (im anderen Sinn als von "weggehen") lässt sich dieser Verlauf nicht nennen.
Es ist mir nicht gelungen.
Mein Gott, wie schade ist das! Ich kann nicht einmal um Verzeihung bitten, ich kann nicht einmal „Entschuldigung“ sagen. Zuvieles ist blockiert und eingefroren. Wir stehen einander fast so tot gegenüber wie eine Uhr: nur noch die Mechanik läuft und stellt gegebenenfalls realistische Behauptungen auf.
Ist das nicht katastrophal? Aber so tragisch, wie ich das empfunden habe, ist es für mich nicht mehr. Denn ich erlebe sehr viele Auswege für uns beide. Man kann sich auch heiter verabschieden und in der frohen Erwartung, was wohl den andern - am andern Ende meiner Empfindung - erwarten wird. Es braucht keinelei Gemeinsamkeit um eine minimale Verbundenheit zu spüren.
Auf meiner Seite gibt es eine Überfülle potentieller Berührungspunkte mit dir. Du bist für mich „zentral“ gewesen, und zwar noch mehr als wie Eltern das für ihre Kinder gemeinhin sind, solange diese nicht erwachsen oder sobald sie wieder Kinder werden. Ich bin beides: ich bin sowohl "nicht erwachsen" als auch "wieder Kind" geworden. Und insofern bist du zentral geblieben, auch wenn ich bewusst in deine Peripherie gewandert bin. Ich gehe bis zum Äussersten, um meinen Kern zu finden. Du bist nicht mein Kern. Siehst du? Ich versuche dich zu entlasten, aber es gelingt mir nicht! Bitte missversteh' mich nicht (das klingt nun beinah schon ironisch): ich sag das ziemlich heiter, wenngleich nicht sehr volllkommen frei.
Es ist leicht, M, Lobreden auf dich zu halten. Es ist erstaunlich, wie gut du ausgestattet bist, mit allem, was man sich von einem „Menschen“ im echt bewundernden Sinn meint. Aber auch das muss mir misslingen, denn wir sind wie das Wetterbarometer: Entweder stehst du vorne, Mister Sonnschein, oder ich, der Regenjohnny. In Ausnahmesituationen stehen wir auf gleicher Linie in den Ausgangstoren (oder "Startlöchern") und sind auch dann noch in unterschiedlichen Räumen zuhause. Wir sind missgünstige Konkurrenten. Ich hatte immer den Eindruck, dass du dich dafür schämst, dass ich – intellektuell beispielsweise – nicht einwandfrei funktioniere, dass ich emotional verkorkst bin. Und ich gab reziprokerweise dir massgeblich die Schuld dafür. Ich sagte: deine Missachtung und deine Überlegenheit haben mich geknickt.
Ich war eine Fremdgeburt in dein Haus und du hattest keine Ressourcen zu verstehen woher ich kam. So akzeptiertest du mich als ein deiniger, aber ohne den Willen und die Kraft da genauer hinblicken zu wollen. Du sahst mich nur zahlenmässig und dem Umriss nach. Ich war eine Schablone an deinem Tisch und ich bin sie noch heute unter einem andern Dach.
Und auch du bist für mich eine Schablone, obwohl ich mich intensivst mit dir auseinandergesetzt habe. Mit meinem disfunktionalen Geist, mit welchem du dich niemals identifizieren würdest! Deshalb passt meine Schablone von dir auch nicht auf dich. Aber wenigstens ist sie schön gearbeitet, einfallsreich gestaltet und durch-komponiert. Deine Schablone von mir hingegen ist die absolute Armut, und mich in ihr zu betrachten deprimiert mich bis heute. Du bist ein gesunder, intelligenter Mann und deine Schablone von mir ist wahrscheinlich exakt(?!?), aber ich finde sie als absolut niederschmetternd. Diesbezüglich bist du mehr als nur ein Konkurrent für mich, du bist ein Richter, ein Scharfrichter, und alles mislingt mir vor deinem überlegenen Geist. Nicht weil du das Urteil sprichst. Sehr selten sogar ist deine Geringschätzung. Sondern einfach durch den Fakt, dass ich mit dir nichts, Nichts, nein, nicht einmal das Nichts! gemeinsam habe. Trotz vieler identischen Chromosomen. Früher machte mich das gefügig, lethargisch, willenlos, nutzlos, verfügbar, bereit zu allem, zu nichts, zum Opfer, zum Selbstopfer vor Gott. Heute mobilisiert sie den „Attentäter“ in mir. Deshalb weigere ich mich so aggressiv, an deiner Geburtstagsfeier teilzunehmen. Ich möchte, dass wir verschont bleiben. Ein utopischer Wunsch. Ich feuere meine Munition nicht ganz gewaltfrei ab. Lass mich dir dennoch aufrichtig Glück wünschen, wenn ich schon kaum dazu beitrage. Aber immerhin, so glaube ich, hab ich mein individuelles Glück aus unserer Gefährdung herausgelöst. Und wir sind, was uns immer und völlig unabhängig voneinander wichtig war: wir sind frei. Gefangen in unserer "Freiheit" einzig durch die Schablonen. Aber auch die werden noch aufgeborchen, wie es das Schicksal ist mit allen Gräbern. Daddy, ich bleibe erwartungsfroh um dich. Du bist zu schnell weise geworden. Mögest du auch darin Weisheit erfahren, wo du Lücken hast "mit Zwischenraum hindurchzuschau'n". Nur auf mich, das weisst du, ist nach wie vor "Verlass".

Samstag, 8. März 2008

S/T/Rümpfe

Wie fühlt man sich in seinem schönsten Jahr? Prächtig! Der Unterschied besteht vor allem in jener heiteren Verfassung, in welcher alle kleinen Katastrophen hingenommen werden.
An meinem Geburtstag hatte ich das immense Pech, gegenüber meinem Vater einer klassischen "unverhältnismässig affekt-aggressiven Instinkt-Reaktion" nachzugeben. Meine Mutter hatte mich am Mittag nach meiner Nachtschicht im Krankenheim zuhause angerufen. Ich war bereits auf, munter und gutgelaunt, wie das ja vorgesehen ist für mein schönstes Jahr. Und dann gab sie den Hörer meinem Daddy weiter.
Soll ich mich hier erklären? Ich hab mich noch nicht einmal bei ihm entschuldigt! Eine Erklärung wird kompliziert und würde eher künstlich statt natürlich wirken, da ich nämlich den grösseren Hang zur Kunst als zur Natur habe. Aber die Grundgleichung meiner früh gepflanzten und immer noch unterdrückten Aggression gegenüber meinem Vater ist an sich verblüffend leicht nachzuvollziehen. Man soll Familiengeheimnisse nicht ausplaudern. Ich erfahre an mir selber, wie sich das Böse im Menschen entwickelt. Und ich versöhne mich allmählich mit dem Fakt, dass ich - leider! - nicht lieb bin, obzwar ich gegen aussen noch oft anständig wirke. Wie sich das Böse ausformt, hängt wohl teilweise vom Entwicklungsstadium einer Seele ab. Ich fühle mich ziemlich anarchisch, was mein Entwicklungsstadium anbelangt, und meine Selbstverachtung diesbezüglich nimmt ab. Ich mache nämlich die Erfahrung, dass es ungesund ist, sich von seinem anarchischen Grund zu trennen. Jede konzessionslose Trennung ist ungesund. Ich hab mich von vielem abgewandt, von Freunden und Familie. Und ich erlebe es als problematisch. Besonders weil die neuen Hinwendungen scheinbar auch keine Wurzeln fassen. Sie sind – wie mein Tagebuch hier – ziemlich virtuell.
Ich werde mich auf jeden Fall noch mit schwarzer Schokolade bei Daddy entschuldigen, die gesund ist für das Herz. Und das Herz ist doch die Seele des Menschen? Aber ich werde die Familienfeier nächsten Monat schwänzen. Mein Vater wird 70. Auf wieviele Jahre soll ich die Chance schätzen, dass wir einander einmal „unverhüllt“ in der Grundgleichung von Vater und Sohn gegenüberstehen? Ich bin dieses Jahr besonders grosszügig und will’s in Lichtjahren messen! Dennoch glaube ich, wenn ich schmerzfrei bin - und das bin ich in diesem jungen Jahr gehäuft - an die Liebe! Ich glaube, wie wenige, die noch naiver sind als ich, an den Himmel. Und ich trenne ihn nicht einmal mehr strikte von der... Nein, nicht von der Hölle, von der ERDE!
Mit meiner Schwester habe ich lange und verbindlicher am Telefon gesprochen. Die atomare Spaltung zwischen den Eltern hat uns Geschwister alle versprengt und erschüttert. Und der Weg zurück birgt viele Gefahren. Aber das Gespräch verlief versöhnlich und vertraulich, darum schweig ich darüber jetzt noch konsequenter als vorhin über meinen "Ausrutscher" gegenüber Paps!
Was macht Mann so in der Freizeit in seinem glücklichsten Jahr? Mann jagt Bären und VER-jagt damit sogar einige mit seinem forschen Auftritt. Ich verliere noch alle Scheu - nicht aber die Scham, die in mir allgegenwärtig ist - im Internet. In der realen Begegnung muss ich dann schon ein paar Tricks anwenden, damit meine Schmetterlingsflügel keinen Staub verlieren und ich nicht zusehends verblasse. Bei meinem vorletzten Date entschuldigte ich mich zwischendurch für einen Gottesdienstbesuch und zwar für einen italienischen Gottesdienstbesuch mit einem unerwartet prächtigen Priester, welcher einen Akzent mit "Lokalkolorit" und etwas so unverschämt Anmassendes an sich hatte, dass ich den Rest des Ausganges gerne mit ihm zugebracht hätte, um die Hintergründe zu seinem Charakter in Erfahrung zu bringen, ...wenn ich mir auch in meinem schönsten Jahr nicht als Mimose die treue hielte. Aber immerhin fühlt sich die Mimose häufiger als sonst wie ein Matr-ose. Aber auch das klingt vom Prefix her nicht unbedingt viel männlicher. Jedenfalls ist hier doch unüberhörbar: Es geht mir prima und Mann darf auf dieser Site weiterhin erwartungsfroh frecher Einträge harren - und sie bitteschön einfallsreich kommentieren. Und Frau darf ebenfalls egal ob sie Strümpfe anhat.

Sonntag, 16. Dezember 2007

White Christmas

Der Durst mich mitzuteilen bleibt ungebrochen, obwohl ich mir der Unmöglichkeit dessen eher noch bewusster geworden bin. Auch bin ich mir bewusster denn je, dass dieser Blog ein Ersatz ist. Eigentlich hab ich mich niemandem mitzuteilen. Dennoch geb ich die Blogadresse weiter, denn ich erachte meine widersprüchliche Situation als grundehrlich. Ich suche verwegen weiter nach einer, nach der einzigen Ansprechperson. Trevor hatte verstanden, dass es hier um einen Code geht, der so angelegt ist, dass nur dieser eine ihn knacken kann. Trevor hatte in einem kurzen Anflug den Eindruck, er könnte und/oder wollte das tun. Aber ein solch kurzer Atem reicht nirgendwo hin. Wohnen wir nicht alle im Niemandsland?
Meine Erwartung ist im Advent immer besonders gross, und sie ist nicht einmal auf eine trügerische oder verkehrte Weise überspannt, denn sie – die Erwartung – ist dann im besonderen Mass religiös konzentriert. Wie verbreitet ist die Fähigkeit, sich den Messias als Person, als Kleinkind vorzustellen, gegenwärtig, in unseren Breitengraden? Gerade wenn ich in vielerlei Hinsicht bedauere anders zu sein, diesbezüglich fühle ich mich vielleicht bereits wieder in auffälliger Weise erhaben. Ich kann mir den Messias als Kleinkind, als Junge, Jüngling oder reifer Mann tatsächlich vorstellen, weil ich bereits unendlich viele Hinweise auf ihn gesammelt habe. Ich habe die herrlichsten Männer gesehen und teilweise sogar kennengelernt. Manchmal schiessen mir Tränen in die Augen, wenn ich nur an einzelne Merkmale denke.
Als ich zu meiner letzten Therapiestunde mit Dr.Prank den Pass mit dem Fahrrad hinauffuhr betete ich über den Tod. Ich teilte meinem Messias mit, dass wenn mich ein gewaltsames Ende „frühzeitig“ – jetzt – zu spät! - heimsuchen würde („bitte einfach nicht zu brutal!“), ich zu ihm über das Wasser gehen wollte im vollen Bewusstsein und ohne jeden Zweifel darüber, dass er mich liebend (ekliptisch) umarmen würde. Liebend, kann je einer richtig verstehen, was das überhaupt bedeutet? Dr. Prank gab mir dazu Hinweise: Liebend könnte etwa heissen „in der Bereitschaft meiner ganzen Person, das Gegenüber bei der Verwirklichung seiner wesentlichsten Lebensmöglichkeit zu unterstützen“. Was ist deine wesentlichste Lebensmöglichkeit, geneigte Leserin; Sheagle, du einzige, die das hier je kommentieren wollte? Dabei liebst du nicht einmal „uns Männer“, tss (von deinen "Chefs" mal abgesehen)!
Meine wesentlichste Lebensmöglichkeit weint vor Anstrengung, weil sie unbedingt gewinnen möchte, aber bereits eine grosse Ahnung darüber gewonnen hat, dass sie von einer Niederlage viel mehr mit nach Hause nimmt. Meine wesentlichste Lebensmöglichkeit hat nach argen Beeinträchtigungen immer noch einen derart absoluten Anspruch, der letztlich darin besteht, dass ihm niemand genügt, dass niemand seine Grösse und seinen unbeugsamen Stolz sehen darf. Und dennoch suche ich wie ein Verrückter. Ich versuchte sogar – ich plappere hier unzensuriert auch Geheimnisse aus, denn hier hatte noch nie etwas Konsequenzen! – mithilfe eines Psychopharmakas zu suchen, welches mir Dr.Prank auf meine Bitte hin verschrieben hat (ich hatte genug von meiner „Wahrnehmung“!). Aber es gefährdete meine verrückte Suche. So seuchte ich die chemischen Spuren wieder aus und trage nun wieder die Bio-Knospe auf meinem geschundenen Herzen.
Bevor das Herz einmal ablöscht wird das Blut schwarz, so stelle ich mir das bildhaft vor. Aber es geht ja noch nicht auf Karfreitag zu, und Karfreitag dauert nur 24 Stunden – gleichlang wie ich für die Trauer um Trevor brauchte – der Stern zieht uns voran und stoppt über Bethlehem. Ich bin in Aufbruchstimmung, liebe Leserin, mit dir in unser schönstes Jahr!

Montag, 12. November 2007

Ein typisches Grimm Märchen

Ich staune über mich, und wenn ich der einzige wäre, der das tut. Ich bin erstaunt darüber, wie wenig ich vorwegnahm von meinem Empfinden dir gegenüber. Meinen letzten Blogeintrag hab ich noch vor unserer Begegnung geschrieben, nicht wahr, du kannst das bestätigen, wir sind uns erst am 3.November begegnet. Dem Tag meiner dritten und vielleicht letzten Konversion. Du hast mich überwältigt.
Ich staune über mich, Trevor, und wenn ich der einzige bin, der das tut. Was ist in mir vorhanden, dass sich meine Seele derart aus sich heraus katapultieren kann in deine wilde Natur? Mir war, als fügte ich zum ersten Mal meine Hand in eine andere und mein kleiner Blutkreislauf war plötzlich global angeschlossen. Alle Lichter gingen über mir auf, als wäre es auf der ganzen Welt Advent. Aber du gibst dich unbeeindruckt.
Trevor, Trevor, Trevor, Trevor. Dein Name ist zu meinem kürzesten Gebet geworden, meinem kürzesten, immerwährenden Gebet; einem Gebets-Loop mit unendlichen Wiederholungen – ähnlich wie das Bum-bum-bum von Technomusik, die dich manchmal aufreizt. Egal ob ich Nachtschichten arbeite, am Tag schlafe, immer ist mein Kissen nass von Tränen oder Speichel und mich rührt, was ich sehe: ich erkenne deine Bärenschnauze sogar in Katzen, die ich bisher nicht niedlich fand.
Du bist unbeeindruckt, dass ich verliebt bin, und es ist dir egal, dass ich bei dir einziehen würde, weg von allen und allem, wenn du das wolltest. Schon paarmal meinte ich in Bezug auf dich mit Gewissheit, dass alles parat ist und „nur“ noch die Grobplanung fehlt um unser gemeinsames Glück unter Dach zu bringen. Aber du bist am Drücker, und du sagst, wenn und ob es überhaupt je losgeht. Dabei bin ich schon mittendrin, und wenn ich der einzige bin.
Schade, dass du so gewaltig bist. Dr. Prank hat recht. Auch Dr. Prank – mein Therapeut - ist gewaltig. Er reicht mir jeweils zweimal die Pranke und seit geraumer Zeit sagt er immer etwas Freundliches, Privates zu mir, wenn ich komme oder gehe. Es wird nur noch etwa zwei Sitzungen geben, dann nimmt er eine Auszeit. Ich hab mir den Namen des Medikamentes notiert, welches er mir empfiehlt, wenn ich wieder einmal zu lange ohne Aussicht auf einen gewaltigen Menschen bin, den ich „erfolgreich“ lieben könnte. Seit ich meinen Vater kenne, beisse ich mir die Zähne an „gewaltigen“ Männern aus. Habe ich mit Dr.Prank keine Fortschritte gemacht, bist du keine Frucht meiner inneren Entwicklung, Trevor, Lieber?
Du kannst das four-letter-word sagen, das mich unglücklich, religiös und todessehnsüchtig bleiben lässt: „Nein“. Oder noch schlimmer: „Jein“. Und letzteres sprichst du momentan genauso beständig und nuancenreich, wie ich um dein Wohlergehen bete. Nicht um deine Bekehrung, wohlgemerkt. Du willst, wie sie alle, Agnostiker bleiben. Agnostiker auch, was Liebesbeziehungen anbelangt. Du möchtest nur überall ein bisschen lecken. Ist das fies gesagt?
Und wenn ich schon am klönen bin. Du liest mich nicht einmal mehr! Meine Sprache ist dir längst zu anstrengend, zu abstrakt und zu unwirklich geworden. Wäre ich doch einfach ein gwöhnlicher Topf Honig, den man ausessen kann. Ich mach wieder an Schreibwettbewerben mit. Ich fühle mich so unter Leistungsdruck, dass ich dir nur noch in Notfällen schreiben will. Ich möchte Erfolg haben wie du – Macht! Ich möchte auch am Drücker sein, in die Luft knallen und „Ja!“ schreien. Ich habe das Gefühl, dass seit wir wie ein Paar im Bus und im Zug gesessen sind, ich mit jeder Minute, wo das Gefühl für die sinnliche Erinnerung schwindet, mein Glück verrate. Es ist wieder das Gefühl, dass meine Seele ein schwarzer Panther ist, wie ihn Hermann Hesse im Käfig beschreibt. Aber die Stäbe werden undicht. Ich spüre, mein Tier wird etwas töten, das nicht mehr länger leben darf.
Trevor. Ich bin so zahm mit dir am Telefon. Du verlangst unausgesprochen, dass ich alles lerne, was ich „nicht kann“ und lehnst dich dabei gemütlich zurück und kaust Rosenknospen. Du sagst mir Dinge, die noch keiner von dir weiss und du brauchst keine Zweifel hegen, dass sie bei mir sicher sind. Du spürst, ich bin harmlos und weiss nicht, wie man jemanden austrickst. Du bist mir artfremd. Warte, Bär, bis meine Stäbe weg sind. Dann gibt es einen fairen Kampf zwischen dem Panther und dir. Dann zeige ich dir mit meinen weissen Zähnen, dass ich nicht geheuchelt hab und ich dich wirklich lieb hab. Und wenn ich der einzige bin.
Ich wünsch dir Glück. Wieder stehst du beruflich vor einer Perspektive, die dich zum meistgesuchten Versicherungskriminellen macht. Was immer du mir für Geschichten erzählst, ich finde alles leichtgläubig in Ordnung, nicht weil ich blind bin, sondern weil ich dich gespürt hab. Du brauchst nur einfach viel Verständnis, und wenn ich der Geduldigste wär, der es für dich aufbringt.
Entschuldige, dass ich dir zu langweilig bin. Mein Käfig macht mich halt „innere Schätze“ ausbrüten, wenn überhaupt. Wie könnte ich dich erkennen, falls in mir nicht noch bessere Abenteuer tobten, als du je erlebt hast: Ich flieg nämlich in einer Woche zu dir!