Donnerstag, 26. April 2007

Ich konnte noch nicht Nein sagen

Was Nik nicht alles in seinem Innern widerfährt! Auf und ab und hin und her. Im Moment weiss ich nicht einmal genau, ob mir wohl oder übel ist dabei!
Ich bin Exit beigetreten, einem Sterbebegleiterverein hier in der Schweiz. Ich hatte einfach das Gefühl, ich müsste meinem Erleben etwas zuwider halten. Nun hab ich einen Trumpf in der Hand. Und falls ich mich über eine zu lange Zeit nicht mehr aushalte, werde ich sagen: „Mein barmherziger Erschaffer. Ich bin im Rotbereich und überfordert. Der Stollen wird immer enger. Ich bin allein, die Orientierung ist weg und die Panik wird grösser. Aber wenn es nochmal eine Stunde, wenn es nochmal einen Tag und nochmal eine Woche geht, hab ich einen Ausweis. Mit dem find ich den Ausgang und dann komm ich zu dir. Denn bei dir ist es schön. Bei dir vergesse ich mich und verzeihe mir Tausende und Tausende von Fehlern.“ Schade, dass ich diese Frühstörung hab. Damit werden die goldensten Zeiten zur Apokalypse.
Ich habe Eros zum Freund gefunden. Vor Ostern nahm ich mich aus allen Kontaktseiten im Internet raus und löschte die Konten. „War das nicht ein bisschen übereilt?“, meinte mein kleiner, milder Johannis. Natürlich war es das. Inzwischen bin ich mit neuer(?) Identität wieder im Netz, auf neuen, aber auch auf den alten Seiten, die angeblich jung behalten. Auf einer der neuen hab ich Eros gefunden. Nennen wir ihn Al. Die Umleitung auf den privaten E-mail Verkehr hat von Beginn an reibungslos geklappt – übrigens eine Seltenheit. Hier kann Mann ja auch Bilder tauschen. Und das Umwerfende neben seiner Ausstrahlung, seinen engagierten Mails und seiner ethischen Werthaltung: er findet mich „erotisch“. Danke, liebes, fesselndes Internet: so etwas ist nur bei dir möglich. Jedenfalls erlebe ich mit Al derzeit einen so angenehmen, zärtlichen Bezug, ohne die Angst, meine Unmittelbarkeit könnte stören, so dass ich mich zumindest für die Dauer einiger Megabites, aber auch häufig durch den Tag im Gedanken an ihn an seiner Seite geborgen und geknuddelt fühle. Sein Herz ist zwar bereits vergeben, aber mein Herz, ja leider scheint mir öfters, dass auch das „vergeben“ ist.
Ich muss mich für meinen Ton hier entschuldigen. Hoffentlich finde ich bald zu einer ehrlichen Lebensmoral zurück. Zynismus bekommt mir schlecht. Lieber Zionismus! Hat der liebe Gott eigentlich wirklich „Pläne für mich“ oder ist das nur Bibelgruppen-Jargon? Mein Psychologe will mich therapieren. Aber ist nicht das bereits zu hoch gegriffen? Im Moment gelingt mir keine Erwartungshaltung, am wenigsten für eine reale Liebes- und Freundschaftsbeziehung und damit fehlt mir sozusagen der Lebensnerv für alle andere Motivation. Al, ich liebe dich. Ich sprech diesen Satz sehr häufig aus mit vielen Namen von Personen, die ich kaum kenne, deren Fotos aber die Vorstellung von etwas Unerhörtem in mir wecken. Und diese Sätze sind nicht unehrlich. Sie sind lebensnotwendig. Ich steh zu diesen Sätzen bis sie kläglich an mir selber scheitern. Und spätestens dann bete ich wieder und frage meinen Erbauer, der doch so klug und unheimlich kompetent ist, angesichts dessen, was er allein schon im Bereich männlicher Körperformung alles und immer wieder neu hervorbringt. Ich frage ihn: Hab ich hinter dem Mond einst eingewilligt, dass ich in so einem wichtigen, existenziellen Wesensanteil, der so eng mit der Zentrale (ich plädiere für Herz statt Hirn), nämlich der Seele, einen Geburtsfehler davontragen möchte? Hab ich damals mit der Erfahrung der damit verbundenen Rohheiten im Alltag gerechnet? Oder war ich zu verliebt in dich, Gott, der du die Liebe bist, und sagte fast schon high mit einer naiven, quickenden Stimme: Ja!
Al ist zu mir hingetreten, wunderbarerweise, mit der klaren Abmachung einer von Anfang an bestehenden, unauflöslichen Trennung. Joey ist dabei, sich auf rührende Weise von mir zu verabschieden. Es ist für beinah ein Abschied unter Tränen, denn jeder hat den andern mit eigenen Verlusten verknüpft. Ich will von dir, du Grossneffe einer verbrannten Hexe, ein ander Mal erzählen, wenn dich nicht neue Namen löschen.
Ich weiss nicht, wie es weitergeht. Die Routinen-Stürze auf der Motocrossstrecke scheinen mir wie eine langweilige Tretmühle. Aber ich bin ziemlich gut trainiert. Der Körper schafft es von allein. Ich schlucke die Galle tapfer hinunter. Nun, ich werde mich an den Ratschlag meines Brieffreundes im Todestrakt des Polunsky Gefängnisses in Texas halten: Verurteile dich nicht auch auf Lebzeit zu Tod. And enjoy everything you have. Ich habe Ferien. Ich bin frei?

Dienstag, 10. April 2007

News (in the) Headline

Aufgrund meiner Erfahrungen, die zumeist innerer Natur und manchmal schwer in Worte zu fassen sind, hatte ich schon seit geraumer Zeit das Gefühl, dass ich meine Einträge hier nur noch unter einer veränderten headline sammeln kann. Nach eingehender Prüfung erweist sich nun aber, dass ich lediglich one single word in Klammer zu setzen brauche – und zwar nur das eben hervorgehobene Wort „Single“, um weiterfahren zu können. Ich glaube, dem bedarf es nicht einmal einer weitschweifenden Erklärung, zumal es in den Artikeln selber deutlich genug wiederholt wird. Deshalb hier nur soviel: Immer handelt das Leben von der Liebe, ganz unabhängig von unserem Lebensstand und immer lohnt sich ihr gegenüber Achtsamkeit.
Noch steht das Wort in eckigen Klammern über dem Blog. Offenbar brauche ich noch eine Zeit der Achtsamkeit, um es einmal ganz ausmerzen zu können. Mit Frühlingsgruss! Nik

Ostergebet

Auferstandener Gott Jesus Christus
Du hast mich über die heiligen Tage vor dem Schlimmsten nicht verschont. Ich weiss nun nichts mehr von dir bitten. Jederzeit kann mich das Böse wieder heimsuchen.
Ich halte an dir fest, wenn auch mit grösseren Zerrformen der Liebe und ich werde auch dich nicht schonen können. Deine Feinde werden mir so nah stehen wie deine Heiligen und zeitweilig werde ich beide arg beleidigen.
Aus irgendeinem Grund willst du nicht, dass meine gesunde Seite siegt. Du magst nicht mein Retter sein, weder der Retter meines Geistes, noch meines Körpers oder Seele. Jetzt, wo ist das Verzagen über dein Leiden und Sterben im christlichen Kalender dem Triumph der Bezwingung des Todes weichen sollte, geht das Verzagen in mir weiter, weit über die Grenze des Zumutbaren hinaus. Ich bin ganz willenlos geworden und ich kann mir nicht denken, dass du darin eine besondere Gnade siehst. Es fühlt sich zermürbend und zum Himmel schreiend an.
All meine Orientierungsversuche kapitulieren. Ich weiss nichts mehr, weder was ich will noch wer ich bin noch was der Sinn und das Schöne im Leben ist; was es heisst gesund zu sein, zu helfen, sich zu freuen. Ich hab die ursprüngliche Würde meiner Freiheit verloren und beuge mich unter der Gewalt, die mich bedrängt.
Acht konkrete, honette Ambitionen hatte ich für mich formuliert. Nun hab ich keine mehr, nicht einmal die neunte, mystisch offene, nämlich dich. Aber ich halte an dir fest, denn ich habe keine andere Garantie. Nur ein paar Dinge möchte ich aussprechen. Setz mich nie mehr ab auf dieser Erde unter meinen Voraussetzungen; jemand besonderer sein zu wollen bei fundamentalen Vakanzen; nämlich weder einen gesunden, zumindest nach eigenem Empfinden liebenswerten Verstand, Gefühl oder Erscheinung zu haben. Meine Versuche, etwas Aufrichtiges und Faires uns beiden gegenüber zu gestalten und vorzuweisen, denn darauf drängt mein Inneres, schaffen für kaum jemanden etwas Verbindliches oder erstrebenswert Nachvollziehbares.
Du vermagst meine sinnlose Befürchtung, dass "man" mir übel will, nicht zu brechen. Du erlaubst sogar, dass sich die Grunderfahrung für diese Befürchtung wiederholt, bevor ich zwischendurch zur Besinnung komme. Ich verkündige dich nicht als der, der du bist, sondern als mein dunkles, furchtbares Geheimnis. Übt deshalb der Teufel „Belohnung“ an mir? Immer noch versuche ich mich verzweifelt gegen ein duales Weltbild zu wehren, weil ich weiss, dass es mitschuldig ist an meinem Leiden. Dennoch drängt es sich mir auf. Ich kann kaum mehr unterscheiden wer in mir wohnt: Du oder der Teufel, und damit besiegelst du ein schreckliches Versagen in mir. Ich wollte nämlich, ich habe versucht und strenge mich immer noch an, dass du gewinnst. Aber du lehrst mich, dass Anstrengung zwecklos ist. Genauso wie Nachgeben oder Reue. Es scheint zwar einen mutmasslich „richtigen“, aber keinen sicheren Weg zu geben, der dein Verbarmen verdient.
Ich lebe ganz nah jener Weltstadt mit dem höchsten Lebensstandard, aber ich werde gezwungen, alle Masstäbe, die mein Leben zu bemessen oder zu bewerten versuchen oder mit denen ich mich einzurichten und auszurichten versuche, zu zerbrechen und als nutzlos und irreführend wegzuwerfen.
Ich weiss nicht, was Sünde ist. Denn manchmal meine ich, dass es jede spontane Empfindung oder Lebensäusserung ist. Aber unter dieser Sichtweise wird Religion schädlich. Aber auch die Frage danach, was Gnade ist, ist schwierig. Ist mein flaues Gefühl im Magen, wo ich jetzt an dich denke, Gnade? Ist es der Kloss im Hals beim willentlichen Gedanken, zu dir zu gelangen? Sind es die seltsamen Träume in der Nacht, wo ich Züge verpasse oder auf weniger diskrepante Art und Weise anderen begegne als in Wirklichkeit? Wenn du aber das vollkommene Paradox bist und sich in dir alles auch in sein Gegenteil verkehrt, dann mag ich dich als Paradox nicht weiterdenken, denn ich bin alles andere als erhaben über die Dinge um mich her.
Am Schluss, am Ende aller Zunamis, Nobelpreise und Kriegsfeuerwerke, am Ende der Vernichtung oder Neuschaffung durch grüne Technik stehst nur noch du unverändert da. Du bist der unbescholtene Held, du bist mein Geliebter. Du bist schön entgegen aller traditionellen Darstellung von dir, du bist stark, du wirkst magisch. Ein Blick, nicht ein Wort, sonst wär ich längst ein Engel, denn wie oft hab ich inständig gebetet vor der Kommunion in der Messe, dass mich nur ein Wort von dir wieder gesund macht. Nein, aber ein Blick. Ich blicke dich an. So viele Jahre suche ich dich mit dem gebrochenen und flackernden Licht meiner Augen. Und auch das dürfen alle wissen, von denen ich doch immer unheilsam gleichgültig getrennt bleibe, meine Familie, meine Freunde, mit einer Ausnahme: Zögere mit keinem Augenblick deiner Macht, dass ich für immer bei dir bin. Ich möchte dich nie mehr im Sterben verleugnen, wie ich es schon tausendfach getan habe auf entwürdigenste Weise. Ich bin dir ergeben ohne dass ich je verstanden habe, was von Herzen geben heisst, weil ich zwar alles habe, gleichzeitig aber auch alles entbehre, was ich darunter verstehe, eine Person von Gottes Gnade zu sein, ein Mensch, der mit einem frohen Herz seine kleine Welt mit Gott gestaltet und regiert.